Sandman Ouvertüre
Sandman Ouvertüre, Band 2
von Neil Gaiman, J. H. Williams III.
(Illustrator*in)
Rezension von Stefan Cernohuby
| 21. Februar 2016
Im Fall von Prequels ist man nur selten völlig unvoreingenommen. Viele Autoren konnten eine Reihe oder eine Welt, die eigentlich zu einem zufriedenstellenden Ende gelangt war, einfach nicht loslassen. Und dann entstanden Prequels, welche für die zuvor existierende Reihe einen Tiefschlag darstellten. Doch es gibt glücklicherweise auch andere Fälle. So wie den zweiten Teil von Neil Gaimans Werk „Sandman: Ouvertüre“, von dem wir ohne Einschränkung erwarten, würdiger Teil eines Meisterwerks zu werden.
Es gibt Orte zwischen den Welten. Und es gibt Augenblicke zwischen Sekunden. In einer Realität, in der das metaphorische als Personifikation existiert, kann ein Augenblick Teil einer Entität sein, die ihr eigenes Reich besitzt
In einem solchen Moment besucht Dream von den Ewigen seinen Vater. Sein Vater ist die Zeit, doch er kann seinem Sohn nicht bei dem helfen, was dieser vorhat. Das Kind von Zeit und Nacht macht noch einen weiteren Besuch, nämlich bei seiner Mutter. Leider ist auch dieser Besuch unergiebig, zumindest für Dream. Gefangen an einem Ort jenseits von Zeit und Raum muss ihn Destiny retten, angesichts von etwas, das nicht in seinen Büchern existiert. Der Untergang des gesamten Universums scheint unausweichlich, weil Dream einst einen Fehler begangen hat. Er wollte ein Leben nicht nehmen, einen wahnsinnigen Stern töten, der jetzt alles andere in den Abgrund reißt. Die Katastrophe aufzuhalten ist unmöglich. Und doch hat ein anderer Aspekt von Dream noch eine letzte Möglichkeit gefunden, das Universum zu retten. Sein Fehler in der der Vergangenheit muss korrigiert werden – auch wenn das einen Großteil seiner Kräfte kostet, und ihn anfällig gegen äußere Einflüsse, wie etwa Magie machen würde...
Das größte Problem bei einem Prolog zu einer epochalen Reihe ist nicht nur die Umsetzung, sondern auch die Erwartungshaltung der Fans. Wie schon in der Einleitung angedeutet, MUSSTE dieses Werk einfach großartig werden – alles darunter wäre eine Beleidigung des großen Ganzen gewesen. Die Zusammenarbeit mit J. H. Williams III. war insofern eine weise Entscheidung, da ein von ihm gezeichnetes Werk in jedem Fall bereits ein optischer Leckerbissen sein würde. Ein wenig gefährlich war die Entscheidung Dreams Vater und Mutter mit ins Spiel zu bringen. Doch der Balanceakt ist gelungen. Selbst die dramatische Lösung, mit der ein ganzes Universum gerettet werden kann, ist nachvollziehbar. Dennoch ist zumindest uns eine kleine Unstimmigkeit aufgefallen. Im Rahmen der Handlung spiel ein Schiff eine Rolle. Ein Schiff, dass Dreams Bruder Destiny klar es „seines“ klassifiziert. Doch dann kommt heraus, dass es nicht von ihm stammt – es könnte maximal aus Dreams Reich stammen. Allerdings müsste er es dann kennen. Dieser Widerspruch wird nicht aufgelöst. Abgesehen davon ist die Geschichte philosophisch, spannend, stimmungsvoll, beherbergt einige Anspielungen auf zukünftige Ereignisse und letztendlich auch unglaubliche Illustrationen. Darüber hinaus gibt es noch viel Bonusmaterial: eine Covergalerie, Informationen über einen speziellen verwendeten Zeichenstil und eine Tracklist der gehörten Songs des Illustrators. Daher schafft das Werk trotz des einen Mankos immer noch die Höchstwertung.
Auch wenn es im zweiten Teil der „Ouvertüre“ des „Sandman“ ein nicht ganz aufgelöstes Detail gibt, kann man der Koproduktion von Autor Neil Gaiman und Illustrator J. H. Williams III. dennoch nur die Höchstnote geben. Denn es hat geschafft, was man von Prequels nicht immer behaupten kann, nämlich dem Erwartungsdruck der Fans standzuhalten. Schon dafür allein ist das Werk ein Pflichtkauf für Kenner der Originalreihe.
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