Cthulhu

USA - Großmacht unterm Sternenbanner

von Frank Heller
Rezension von Stefan Cernohuby | 11. Mai 2009

USA - Großmacht unterm Sternenbanner

Die Vereinigten Staaten von Amerika, kurz USA, sind heutzutage nicht die beliebteste Nation der Welt. Im Grunde waren sie es niemals. Denn über die relativ kurze Zeit ihres Bestehens gehören Völkermord, Sklaverei und aggressive Außenpolitik zu ihren bekanntesten Merkmalen. Für das Rollenspiel "Cthulhu" ist nun "USA - Großmacht unterm Sternenbanner" erschienen. Da auch der Mythos in Form seines Geburtshelfers selbst aus einer kleinen amerikanischen Stadt namens Povidence stammt, darf man sich einiges erwarten.

Das Werk ist in mehrere große Abschnitte gegliedert, die wieder in etwas kleinere Unter-Abschnitte unterteilt sind. Das erste Großkapitel trägt den Namen "Das Land".
Es beginnt mit einer zehnseitigen Geschichte des Landes, von seiner Entdeckung an. Nichts wird beschönigt, nichts verdammt - nur Fakten geliefert, gewürzt mit einigen Einfällen, inwieweit sich der Mythos durch die Geschichte einbringen lässt. Ein genauerer Blick wird auf die 20er, die bevorzugte Cthulhu-Zeit geworfen. Danach wird sowohl Innen- als auch Außenpolitik näher behandelt und es folgt ein Überblick der wichtigsten amerikanischen Städte, mit vielen hilfreichen Informationen, Bildern und Plänen.
Das zweite Großkapitel „Gesellschaft“ widmet sich wenig überraschend nichts geringerem als der amerikanischen Gesellschaft. Diese ist in den 20ern besonders durch eines geprägt: Die Prohibition und die damit verbundenen Verbrechen. Bevor es allerdings so weit gekommen ist, hat es viele Umbrüche und Wandlungen gegeben. Interessant ist auch der Übergang von boomender Wirtschaft zur Rezession, gegen Ende der 1920er. Aber auch der Aufstieg des Mediums Film und der Medizin werden beleuchtet. Danach folgt noch eine Chronologie der gesamten „Roaring Twenties“.
Weiter geht es mit dem „Leben in den Vereinigten Staaten“. Hier erfährt man alles Wissenswertes über Verkehrsmittel (besonders über die neu in Mode kommenden Automobile und Flugzeuge), Bildungseinrichtungen (real und fiktiv) und Museen. Trotzdem wird auch der Rolle der Presse Beachtung geschenkt und nicht einmal Polizei und Schusswaffen werden vernachlässigt. Während jeder noch so nüchternen Erklärung gibt es immer wieder eingeschobene themenbezogene Boxen, Preislisten aus der damaligen Zeit und stimmungsvolle Bilder.
Danach wird noch auf Mythen eingegangen, speziell auf indianische und ihre (eventuelle) Verbindung mit dem Mythos.
Die letzten beiden Kapitel „Lovecraft Country“ und „Als Spielercharakter in Amerika“ gehen einerseits näher auf unerklärliche Begebenheiten, Lovecrafts direkt referenzierte Orte sowie andererseits auf Berufe ein, bei denen man möglicherweise leichter in Kontakt mit dem Mythos kommt, als mit anderen: Privatdetektiv, Journalist, Gerichtsmediziner und Polizist.

Wie immer, wenn man ein Cthulhu-Regelwerk in Händen hält, kann man zuerst gar nicht glauben, dass es sich „nur“ um einen Band zu einem Rollenspiel handelt. Und tatsächlich, das Buch ist weit mehr als nur das. Auch wenn der Inhalt sich in erster Linie zweckdienlichen Informationen zum Cthuhlhu-Mythos widmet, erwirbt man mit „USA - Großmacht unterm Sternenbanner“ doch gleichzeitig einen Band, der einem die Geschichte einer ganzen Nation näherbringt. Von seinen Anfängen, bis zu den „Roaring Twenties“ fühlt man sich einem ganzen Volk näher, das heute genauso mächtig und unbeliebt ist wie damals. Zwar mag das Werk weder unvoreingenommen, noch völlig präzise in seinen Beschreibungen sein, aber bietet einen Überblick auf einer Ebene, auf die sich Fachliteratur im Normalfall nicht begibt. Sie ist zwischen harten Fakten, Mutmaßungen und persönlichen Situationsbeschreibungen angesiedelt. Es wird auf „kulturelles Erbe“ (soweit man bei Nicht-Ureinwohnern so nennen kann) beinahe gleich stark eingegangen wie auf Aberglauben. Fiktion und Realität reichen sich die Hand. Die Traumschmieden der Filmindustrie stehen den Fließbändern Henry Fords gegenüber. Hervorragend recherchiert, stimmungsvoll und für das Rollenspiel bestens geeignet erweist sich „USA - Großmacht unterm Sternenbanner“ als rundum gelungen und den Preis von knapp 35 Euro mehr als wert. Man ist nicht nur in der Lage neue Abenteuerideen im Heimatland des Mythos umzusetzen, sondern bekommt ein völlig neues Gefühl für die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts in den USA. Denn diese waren mehr als nur eine Zeit des Alkoholschmuggels, des Schriftstellers H. P. Lovecrafts, der großen Gangster und der Weltwirtschaftskrise.
Sie waren alles zusammen - und noch viel mehr. Jedem Spielleiter kann dieses Buch nur wärmstens ans Herz gelegt werden. Aber auch Spieler können (mit seiner Zustimmung) viele wichtige Informationen aus dem Band gewinnen.

Wer behauptet, ein Rollenspiel könnte nicht bilden, könnte nicht falscher liegen. "USA - Großmacht unterm Sternenbanner" liefert mehr als nur Informationen zu Cthulhu in den Zwanzigern in Amerika. Als Beinahe-Geschichtsband kann das Werk sowohl durch Inhalt und Stimmung als auch durch Nutzen und Preis überzeugen. Für Spielleiter ein Muss!

Details

  • Autor*in:
  • Serie:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    10/2008
  • Umfang:
    279 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783939794752
  • Preis (D):
    34,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
    Keine Bewertung
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Spieltiefe:

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