Zwischen Nacht und Dunkel

von Stephen King
Rezension von Stefan Cernohuby | 11. Juni 2012

Zwischen Nacht und Dunkel

Nachts sind alle Katzen grau, so heißt es zumindest. Doch wenn die Nacht am dunkelsten ist, werden auch finstere Ideen geboren, die im Tageslicht gar nicht entstehen könnten. So viel kann man zumindest von Stephen Kings Novellensammlung "Zwischen Nacht und Dunkel" erwarten. Denn während sich seine Romane auch in letzter Zeit anderen Genres zugewandt haben, waren seine kürzeren Werke bis auf wenige Ausnahmen stets von düsteren Themen geprägt.

In "1922" begeht ein Mann namens Wilfred James einen tödlichen Fehler. Als die Frau des Farmers ein 40 Hektar großes Grundstück erbt, das direkt an das Anwesen der Familie grenzt, sind ihre Pläne damit völlig überraschend. Sie will es keineswegs dem Grundstück ihres Mannes hinzufügen, sondern es verkaufen, um ein Geschäft in einer Stadt aufzumachen und das Landleben hinter sich zurück zu lassen. Und mehr als das, sie versucht ihren Mann dazu bringen, auch sein Land zu verkaufen. Etwas, das der Farmer aus Passion niemals zulässt. So überredet er seinen Sohn dazu, gemeinsam seine Frau zu töten und verschwinden zu lassen. Eine Tat, die - obwohl sie nie bekannt wird - ihrer beider Leben zerstört.
"Big Driver" hat ein völlig anderes Thema. Protagonistin ist eine Mittelklasse-Autorin, die nach einer Lesung auf einer Nebenstrecke überfallen, vergewaltigt und beinahe getötet wird. Doch sie geht nicht zur Polizei, unterhält sich stattdessen mit den imaginären Stimmen ihrer Katze und ihres Tom-Toms und plant Rache. Dabei findet sie heraus, dass das organisieren ihrer Lesung und der Überfall etwas miteinander zu tun hatten...
Die Geschichte "Faire Verlängerung" handelt von einem Mann, der im Angesicht des sicheren Krebs-Todes ein Geschäft abschließt, das sein Leben verlängert. Zwar handelt es sich nicht unbedingt um den Teufel, aber das Ergebnis ist beinahe dasselbe. Alles Schlimme, das ihm widerfahren wäre, wird auf seinen besten Freund übertragen, den er insgeheim immer beneidet hat. Doch wer glaubt, dass den Protagonisten Schuldgefühle plagen, der irrt. Denn er betrachtet diesen Tausch als fair.
"Eine gute Ehe" handelt von einer Frau, die nach vielen Jahren guter Ehe feststellt, dass ihr Mann ein gesuchter Serienmörder ist. Ist das eine Entdeckung, nach der man einfach weiterleben kann wie zuvor? Um diese Frage geht es in der Geschichte.

Stephen King hat schon viele Geschichten geschrieben. Viele waren gruselig, manche brutal und manche an der Grenze des guten Geschmacks. Aber der erste Eindruck nach dem Fertiglesen des Werks war im Fall des Verfassers dieser Rezension - das war wirklich hart. Es ist das eine, Geschichten zu schreiben, bei der man lebenden Toten begegnet, bei der Eingeweide herausgerissen werden oder ein Mann von einem Werwolf gejagt wird - all das ist hier nicht der Fall. Aber es ist etwas völlig anderes, wenn ein "Horror-Autor" sich hauptsächlich zwischenmenschlichen Beziehungen annimmt und in die Untiefen derselben abtaucht. Zwar sind in zwei der vorkommenden Geschichten leicht übersinnliche Elemente enthalten, doch diese stellen keineswegs den Hauptaspekt dar. Es sind Schlechtigkeit, Untiefen und kurzsichtige Fehler der Charaktere, die diesen Band kennzeichnen, was dem Buch viel mehr Tiefe verleiht und die Geschichten, wie bereits erwähnt, um einiges härter machen. Das hat auf die Qualität bestimmt keine negativen Auswirkungen, denn das Buch ist hervorragend gelungen. Ist man als Leser jedoch etwas zart besaitet, sollte man um das Werk unbedingt einen großen Bogen machen. Es ist definitiv in der Lage, Alpträume zu bescheren. Dass die Übersetzung von "Full Dark, No Stars" auf Deutsch "Zwischen Nacht und Dunkel" lautet, ist der einzige Negativpunkt.

Stephen Kings Novellen in "Zwischen Nacht und Dunkel" zeigen einmal mehr, dass der Schriftsteller längst noch nicht zum alten Eisen gehört. Hier taucht er beängstigend tief in die Untiefen der Psyche der Charaktere ein, was alle Geschichten viel realistischer und dementsprechend härter macht, als so mache frühere Horror-Erzählung. Fans und Liebhabern von dunklem Gedankengut kann man das Buch nur ans Herz legen, jedoch mit einer wichtigen Warnung. Man sollte es keinem Leser zukommen lassen, der sich von Büchern einschüchtern oder gar ängstigen lässt. Denn auch dazu ist das Werk bestens geeignet.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    04/2012
  • Umfang:
    544 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3453436342
  • ISBN 13:
    9783453436343
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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