Vergiss mein nie


Der Erinnerungskalender für Trauernde
von Anemone Zeim, Madita van Hülsen
Rezension von Katrin Hof | 29. Oktober 2016

Vergiss mein nie

Das Trauerjahr hat für manche Menschen eine fundamentale Bedeutung. Trauer kennt keine Zeit, sie schafft aber Raum, um die Erinnerungen an einen verstorbenen Menschen aufleben zu lassen und daraus neue Lebensenergie zu gewinnen. Mit dem Erinnerungskalender „Vergiss mein nie“ von Anemone Zeim und Madita van Hülsen kann das Trauerjahr aktiv gestaltet werden, um die Trauer Monat für Monat besser bewältigen zu können.

Ist das Trauern in der modernen Gesellschaft unzeitgemäß geworden? Alles muss schnell gehen und auch die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen sollte nicht zu lange dauern, denn schließlich gibt es unzählige Termine, die wahrgenommen werden müssen. Warum tragen wir unsere privaten Termine in einen Kalender ein, während die Erinnerungen an den Verstorbenen unverarbeitet Monat für Monat verblassen? Plötzlich, wie aus dem Nichts, erinnern wir uns wieder schmerzhaft daran zurück, wie sehr uns die Person fehlt und stehen wieder am Anfang eines Trauerprozesses, der ohne Verarbeitung die seelischen Wunden nie verheilen lässt.
Die vier Jahreszeiten verwandeln die Natur in einem besonderen Schauplatz, dem wir mit unterschiedlichen Gefühlen begegnen. Ähnlich verhält es sich auch mit den vier Trauerphasen, die ein trauernder Mensch durchläuft. Der Ort, an dem wir trauern, kann überall sein, doch die Gefühle, die wir Menschen dabei empfinden, sind meistens gleich. Im Erinnerungskalender „Vergiss mein nie“ kann die Trauer mit allen Sinnen wahrgenommen und verarbeitet werden. Ein ganzes Jahr lang begleitet einen der Kalender durch ein Trauerjahr, das nicht abrupt enden muss, sondern dem Trauernden Halt gibt und dazu ermutigen soll, sich mit den gemeinsamen Erinnerungen und dem Verlust zu befassen. Dies geschieht auf besonders kreative Weise in Form von schriftlich festgehaltenen Gedanken, malerischen und originellen Spielereien, Gesprächen, Basteleien und sinnlichen Aktivitäten in der Natur. Und dabei ist es jedem selbst überlassen, wie er sein „Trauermonster“ visualisiert, wann die „Seelenvögel“ das Vogelhäuschen besuchen, um Fragen zu beantworten oder Wünsche zu erfüllen und wie man die „Wutkapsel“ zum Zerplatzen bringt.

Der Erinnerungskalender schreibt einem nicht vor, dass man 365 Tage im Jahr Monat für Monat trauern soll. Vielmehr dient er als hilfreiche Stütze, die man sich zur Hand nimmt, wenn einen die Trauer überkommt und man nicht weiß, wie man mit seinen Gefühlen umgehen soll. Richtungsweisend sind vor allem die Gedankenspiele mit Zukunftsaussichten, die die Vergangenheit nicht vergessen lassen, aber darauf abzielen, die Vorstellung zu festigen, dass das Leben weiter gehen wird. Die Erinnerungen an den Verstorbenen sind eng verknüpft mit der Zukunft, damit etwas Neues entstehen kann. Es werden auch negative Gefühle wie beispielsweise Wut zugelassen, ohne dabei den Blick auf das Positive zu verlieren. Auch wenn der Verlust ein Loslassen bedeutet, heißt es nicht, dass man Gegenstände, die Geschichten erzählen, weggeben muss. Die Autorinnen haben sich hierbei sehr fantasievolle, verspielte Ideen einfallen lassen, um an Erinnerungsstücken festzuhalten. Wer die Freiheit wieder spüren möchte, dem wird gezeigt, dass er nur einige Flügelschläge davon entfernt ist. Wer ein Andenken konservieren möchte, der erhält ein Rezept für eine besondere Zeitreise im Einmachglas. Mit diesem außergewöhnlichen Kalender vermitteln Anemone Zeim und Madita van Hülsen, dass im „Trauern“ auch „Trauen“ steckt. Dies impliziert die wesentliche Botschaft, sich während der Trauerzeit etwas zuzutrauen, sich jemandem anzuvertrauen, Vertrauen zu schenken und vor allem sich auch wieder Leben zu trauen. Sie ermutigen dazu, wieder eigene Wege zu gehen und die gemeinsamen Wege als Meilenstein zu betrachten. Oft braucht es Windstöße, um wieder etwas zu spüren und einen Anstoß zum Weiterleben zu erhalten. Genau jenes beruhigende Gefühl vermittelt dieser Erinnerungskalender, der dem Verstorbenen einen Platz gibt. Dabei zählt nicht die chronologische Reihenfolge des Trauerjahres, sondern vielmehr, bei welchen Monat man selbst ansetzen möchte, um der Trauer zu begegnen. Neben der künstlerisch schönen Gestaltung des Kalenders überzeugt dieser auch mit seiner lebensfrohen und positiven Aussagekraft. Für die Vorlagen, die zum Ausschneiden sind, empfiehlt es sich, diese zu kopieren oder als Schablone selbst auf ein buntes Papier zu übertragen.

„Vergiss mein nie“ ist ein Erinnerungskalender, der Raum für schöne Erinnerungen an einen verstorbenen Menschen schafft und einem dazu befähigt, aus der verarbeiteten Trauer wieder neue Lebensenergie zu schöpfen. Mit kreativen, verspielten Ideen möchten die Autorinnen Anemone Zeim und Madita van Hülsen trauernde Erwachsene dazu inspirieren, sich mit allen Sinnen und Gefühlen den gemeinsamen Erinnerungen zu widmen. Lebendig, lebensfroh und mit neu gewonnener Entdeckungsfreude blickt man wieder in die Zukunft, die mithilfe dieses Kalenders dem verstorbenen Menschen einen Platz im Hier und Jetzt zugesteht.

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