Meine Suche nach dem Nichts


Wie ich tausend Kilometer auf dem japanischen Jakobsweg lief und was ich dabei fand
von Lena Schnabl
Rezension von Manfred Weiss | 27. Juni 2019

Meine Suche nach dem Nichts

Pilgern hat in Japan eine lange Tradition, die bei uns noch eher wenig bekannt ist. Das Exotische mischt sich mit dem Vertrauten, die Tradition mit der modernen Welt. Die japanischen Pilgerwege ziehen zunehmend mehr und mehr Pilgerinnen und Pilger aus der ganzen Welt an. Eine spannende Kombination.

Lena Schnabl erzählt in „Meine Suche nach dem Nichts“ von ihrer Pilgerreise auf dem von Kobo Daishi begründeten Pilgerweg der 88 Tempel auf der Insel Shikoku in Japan. Sie erzählt zuerst aber auch von ihrer eigenen Erkrankung am Pfeifferschen Drüsenfieber und wie sie diese auf dem mehr als tausendzweihundert Kilometer langen Weg begleitet hat. Sie beschreibt die Schwierigkeiten des Losgehens, die Rückschläge und die Freuden auf dem langen Weg durch die vier Präfekturen Shikokus.

„Henro“, „Osettai“ oder „Osamefuda“

Das Buch ist einerseits ein Praxisführer mit Tipps zur Zusammenstellung des Reisegepäcks, zu den Möglichkeiten Unterkünfte zu finden oder zum generellen Benehmen am Pilgerweg, mehr aber noch in den Tempeln.
Gleichzeitig ist es auch ein unterhaltsamer Kulturführer zu Japan, seiner Sprache und auch zur bekannten Haiku-Dichtung. Die Autorin beschreibt genauso gewissenhaft die Benimmregeln im Onsen, dem japanischen Bad, wie sie auch immer wieder in die schönen, bildhaften Wortschöpfungen der japanischen Sprache eintaucht. So bedeutet etwa „chokochoko“ so viel wie „gemütlich“. Selbstverständlich darf auch das Pilgervokabular wie „Henro“, „Osettai“ oder „Osamefuda“ nicht fehlen.
Immer wieder kommt auch die Reflektion zum eigenen Erleben dazu, der titelgebenden “Suche nach dem Nichts”.
Umrahmt ist das Ganze von einer Reiseerzählung, die beinah romanhafte Züge hat, mit langen Dialogpassagen, wiederkehrenden handelnden Personen. Eine Geschichte, die manchmal erstaunt, manchmal auch erschreckt, sehr oft aber auch sehr humoristisch geschrieben ist.
Es macht der Autorin sichtlich Spaß zu erzählen, wobei das langsame Erzähltempo des Beginns gegen Ende hin immer mehr Fahrt aufnimmt, da das Buch sonst vermutlich gut und gerne auch tausend Seiten lang geworden wäre.

Pilgern in Japan

Neben all dem spricht die Autorin aber auf interessante Weise auch weniger erfreuliche Themen des Pilgerns an, wie etwa der Tatsache, dass man sich zuweilen seine Begleiter nicht immer aussuchen kann und manchmal ein hartes Nein notwendig wird, auch wenn man gerade auf einer Pilgerreise ist. Lena Schnabl lässt auch ihre Eindrücke und Erfahrungen als alleine pilgernde Frau nicht außen vor und spricht sie offen an. Ein Thema, das man in den diversen Shikoku Pilgerberichten bisher kaum gefunden hat. Oder auch die Tatsache, dass es „den Japaner, die Japanerin“ so nicht gibt, sondern dass man sich bei aller kulturellen Prägung doch auch auf vielfältige Charaktere einstellen muss.
Sprachlich ist das Buch an ein eher jüngeres Publikum gerichtet und auch vom Ursprung aus dem Journalismus geprägt. An manchen Stellen bleibt das gewöhnungsbedürftig, wird aber dann von der interessanten Handlung der langen Reise wieder überlagert.
Natürlich sind die Erlebnisse der Autorin am Pilgerweg so nicht repräsentativ, da sie stark davon geprägt sind mit den Menschen vor Ort auch kommunizieren zu können. Und nicht jeder Pilger kann vor der Reise ein Japanisch-Studium abschließen. Aber auch zu solchen Pilgerreisen mehr oder minder ohne Japanisch-Kenntnisse gibt es bereits viel Literatur.
Abgerundet wird das Buch durch sehr schöne Fotoimpressionen der Reise ebenso wie durch zahlreiche Selfies der Autorin.

„Meine Suche nach dem Nichts“ ist ein Buch für viele Interessengruppen. Einerseits natürlich für alle, die sich für den Pilgerweg in Shikoku interessieren, aber auch für Pilgerinteressierte generell. Es ist ebenso ein Buch für Japaninteressierte oder auch für Leserinnen und Leser, die einfach eine spannende und leicht lesbar geschriebene Geschichte zu einem fast romanhaft erzählten Abenteuer lesen wollen.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    05/2019
  • Umfang:
    416 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783442159802
  • Preis (D):
    14,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gefühl:
  • Illustration:

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