Eure Dummheit kotzt mich an


Wie Bullshit unser Land vergiftet.
von Rayk Anders
Rezension von Elisabeth Binder | 26. Januar 2017

Eure Dummheit kotzt mich an

„Es gibt ein großes Problem in Deutschland: Menschen wollen sich nicht informieren, sondern empören.“ (S. 12) Das ist für den freien Journalisten Rayk Anders, der mit seinem Online-Projekt „Armes Deutschland“ auf Youtube, Facebook und Twitter bekannt wurde, der Anlass für sein erstes Buch.

In sechs Themenbereichen, die ihm offensichtlich besonders am Herzen liegen, macht sich Anders auf die Spur der unerträglichen Leichtigkeit des Denkens, das er immer öfter an seinen Landsleuten beobachtet. Zur Einstimmung für die Materie und die Argumentationsweise dient das Kapitel über „Ernährung“, das sich hier um die Lebensmittelproduktion dreht. Der Empörung über angeblichen Bio-Schwindel und Abzocke („Bio schmeckt ja gar nicht besser!“) hält Anders die langfristigen Auswirkungen einer industrialisierten Landwirtschaft entgegen. Das anschließend behandelte Thema „Energie“ hat schon etwas mehr Biss. Der Empörung der Bürger über den teuren Ökostrom wird schön das unbewältigte Problem des Atommülls gegenübergestellt, der inzwischen dauerhaft in sogenannten „Zwischenlagern“ vor sich hinstrahlt. Das umfangreichste Kapitel ist dem Thema „Asyl“ gewidmet. Da sind wenig neue Argumente zu lesen, aber das Thema liegt Anders einfach am Herzen, seine persönliche Empörung über die Empörten kommt an dieser Stelle stark durch. Das ist auch keine Überraschung, denn als Onlinejournalist ist er täglich Hasspostings ausgesetzt, die gerade beim Thema Asyl die Form von schweren Drohungen annehmen. Danach widmet sich Anders seiner eigenen Zunft, nämlich den Medien, die aus rechtspopulistischer Ecke ohne die Vorsilbe „Lügen-“ gar nicht mehr erwähnt werden. Interessanterweise gibt es in diesem Kapitel noch eine Auseinandersetzung mit dem eher spröden Thema der Rundfunkgebühren mit einem fast leidenschaftlichen Plädoyer für die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt. Unter ferner liefen gibt es dann zuletzt noch zwei kurze Kapitel zu Medizin, Stichwort Impfgegner, und Demokratie. Da wird man das Gefühl nicht los, dass Anders diese Themen einfach auch noch abhaken wollte.

Was ganz außen vor ist, sind explizit (volks-)wirtschaftliche Themen, das Sozialsystem oder auch die EU. Das mag an den persönlichen Vorlieben des Autors liegen, aber auch daran, dass diese Themen nicht so einfach zu verpacken sind. Dafür kommt halt im Kapitel „Medizin“ der gefühlt hundertste Aufguss über die Wertvorstellungen von Impfgegnern.
Das grundsätzliche Problem mit Anders‘ Buch ist, dass per Definition immer nur die anderen dumm sind, weil sie nicht im Besitz der Fakten sind. Er untermauert zwar viele seiner Argumente mit Zahlen, aber die tauchen aus dem Nichts auf. Wer sich also weiter informieren möchte, ist auf sich selbst gestellt, da der Autor sicherheitshalber auf nachvollziehbare Quellenangaben verzichtet. Kommt einem das bekannt vor? Sicherlich sind viele der Quellen die er anführt, wie beispielsweise Publikationen von öffentlichen Forschungseinrichtungen, seriös und faktenbasiert. Strukturell jedoch kommt die Argumentationsweise von Anders dem Gegenstand seiner Kritik zu nahe. Da wie dort werden die LeserInnen zum passiven Konsum der Empörung ermuntert. Der einzige Hinweis, wie LeserInnen aktiv und kritisch mit der täglichen Informationsflut umgehen können, findet sich im Vorwort. Dort legt Anders den LeserInnen nahe, dass der grobe Unfug, der in vielen populären Youtube-Videos oder auch in der Bildzeitung verbreitet wird, durch einfache Google Recherchen als reine Fantasie widerlegbar sei. Das hält ihn aber nicht davon ab, ein paar Seiten später ein Einstein-Zitat als Argumentationshilfe zu verwenden, das keines ist. Auch da hätte eine schnelle Recherche mit Google geholfen.

Wer also das Buch zur Hand nimmt, um sich über die Dummheit der anderen zu amüsieren, hat sicher viel Spaß damit. Stilistisch hat sich Anders auf maximale Schadenfreude ausgerichtet. Wer aber an mehr als medienkritischem Fast-Food interessiert ist und seine Reflexionsfähigkeit herausgefordert sehen will, der muss weitersuchen.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    10/2016
  • Umfang:
    208 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783423261364
  • Preis (D):
    14,90 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch:
  • Humor: