Winter is Coming


Die mittelalterliche Welt von Game of Thrones
von Carolyne Larrington
Rezension von Stefan Cernohuby | 01. November 2016

Winter is Coming

Jahreszeiten sind etwas, das sich regelmäßig wiederholt. Dennoch hat man in unseren Breiten kaum noch einen Grund, sich vor dem kommenden Winter zu fürchten. In anderen, phantastischen Ländern ist das anders. Denn in George R. R. Martins Welt aus „A Song of Ice and Fire“ oder „Game of Thrones“ bedeutet nahender Winter jahrelang Schnee und Eis. In „Winter is Coming – Die mittelalterliche Welt von Game of Thrones“ befindet sich Carolyne Larrington auf Spurensuche. Sie präsentiert Referenzen und reale Quellen für die fiktionale Romanwelt.

Nach einem kurzen Vorwort über die Entstehung des Buchs und eine Legende für die verwendeten Abkürzungen beginnt ein Streifzug durch die gesamte bekannte Welt. Die Einleitung nimmt ein wenig vorweg, mit welchen Themen sich da Buch beschäftigt. Mit Gesellschaft, Recht, der Rolle von Mann und Frau, Gebräuchen, technischen Errungenschaften und historischen Ereignissen.
Der erste Teil der Reise führt ins Herz des Landes. Hier wird vor allem auf die verschiedenen Adelshäuser Bezug genommen, was sehr an die Situation im Hochmittelalter erinnert. Auch die Einstellung zu Ehre, Gastrecht und Eiden wird mit unterschiedlichen Nationen der Geschichte verglichen. Ebenso die klassische Erbfolge und der Umgang mit Gesetzesbruch und Rache wird behandelt.
Weiter geht es in den Norden. Hier werden nicht nur existierende Festungen mit jenen aus Romanreihe und Serie verglichen, auch (mythologische) Fauna und Referenzen auf das nordische Heldenlied untersucht.
Im Westen werden neben dem Königshaus auch Glaube, Rittertum und Wirtschaft mit historischen Vorbildern verglichen.
Jenseits der Meerenge findet man ganz andere Strukturen. Verglichen werden diese zum Teil nicht von Ungefähr mit Italien im Laufe seiner wechselhaften Geschichte.
Die Dothraki im Osten haben mehr Ähnlichkeit mit den Mongolen von Dschingis Khan, auch was deren Werte und Strukturen angeht.
Das Nachwort spinnt einige Gedankengänge aus Romanen und Serie weiter, um zu versuchen, anhand historischer Ereignisse mögliche weitere Entwicklungen vorherzusagen.

Manchmal entstehen faszinierende Gedankenkonstrukte dadurch, dass jemand mit speziellen Vorkenntnissen oder einer bestimmten Ausbildung über Dinge nachzudenken beginnt, die er liest oder sieht. In diesem Fall war es sogar beides, denn Carolnye Larrington, ihres Zeichens Vortragende für englische Literatur in Oxford, hat sich dem Thema „Game of Thrones“ erst nach dem Sehen der Fernsehserie und dem Lesen der Bücher gewidmet. Und gerade durch ihre Vorkenntnisse im Bereich englische Literatur und englische Geschichte, fand sie schnell Ähnlichkeiten, auf die sie aufmerksam wurde. Zwar ist nicht alles Gold, was interpretiert wird, aber das Buch zeigt viele interessante Ansätze auf. Sowohl in den unterschiedlichen Kulturen, auf denen die verschiedenen Häuser und auch die Völker über dem großen Wasser basieren, als auch die Eigenheiten, die man jedem Volk andichtet. Auch verschiedene Ereignisse kann man tatsächlich als Parallelen sehen, denen Georg R. R. Martin sicher bei seinen unermüdlichen Recherchen auch auf die Spur gekommen ist. Trotzdem fehlt ein wenig der rote Faden, der sich durch das Buch zieht. Denn auch wenn Teilaspekte eindeutig und gut ausgearbeitet sind, kann man andere – vielleicht aufgrund von weniger breit gefächertem Vorwissen von Seiten der Autorin – nicht ganz so sehr genießen und einfach abnicken. Trotzdem ist das Werk für alle Fans von Martins größtem Epos eine Empfehlung wert – zumindest wenn die Leser an den möglichen Hintergründen interessiert sind.

„Winter is Coming – Die mittelalterliche Welt von Game of Thrones“ ist ein interessantes, gut ausgearbeitetes Sekundärwerk zu den möglichen Hintergründen von George R. R. Martins großer Welt. Auch wenn nicht alle Abschnitte gleich gut gelungen sind und viel des Inhalts auf Mutmaßungen basiert, kann man das Werk allen Fans doch ans Herz legen – solange diese keine Absegnung vom Meister selbst erwarten, denn diese gibt es nicht.

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