Terra!

von Stefano Benni
Rezension von Stefan Cernohuby | 12. Juni 2017

Terra!

Es ist nicht ganz so einfach, die Werke von Autoren zu verfolgen, die nicht in deutscher oder englischer Sprache schreiben. Italienisch ist beispielsweise nicht jedem Leser geläufig, und so ist man diesbezüglich in der Regel auf einen Übersetzer angewiesen. Der Wagenbach Verlag hat sich jedoch unter anderem auf das Verlegen von italienischer Literatur spezialisiert, was nun dazu geführt hat, tatsächlich ein druckfrisches Exemplar von Stefano Bennis Klassiker „Terra!“ zu erhalten.

Wir schreiben das Jahr 2157. Nach diversen Atomkriegen, die durch traurig-ironische Umstände ihren Anfang nahmen, befindet sich die Erde in den Klauen einer Eiszeit. So wirkt es beinah wie ein Wunder, als sich der Menschheit eine neue Chance bietet. Eine Nachricht deutet auf einen Planeten hin, welcher der Erde sehr ähnlich ist. Fieberhafte Aktivitäten starten, um sich diesen als erster zu sichern. Leider wurde die Raumfahrt über längere Zeit nicht sinnvoll verfolgt, weswegen man nehmen muss, was man kriegen kann – selbst wenn es mit Disney-Motiven versehen ist. Und an Bord der verschiedenen Raumschiffe geht es rund. Es gibt Diktaturen, schwelende Rebellionen und unterdrückte Mäuse auf dem einen Schiff. Da sind seltsame Helden wie Boza Cu Chulain, gleichzeitig Gauner, die gemeinsam mit Robotern in die Unterwelt eindringen und Erfahrungen machen, bei denen man nur ungläubig weiterlesen kann. Parallel dazu gibt es ein äußerst ungleiches Duo aus einem gezüchteten Genie namens Einstein und dem chinesischen Philosophen Fang, das ein uraltes Rätsel zu lösen versucht. Dieses Rätsel ist es, das letztlich über den Ausgang des großen Abenteuers entscheidet. Und alles umspannend, unterminierend und durchsetzend gibt es kurze und lange Geschichten. Solche, die von den Charakteren selbst erzählt werden und solche, die von Charakteren in den Geschichten der Geschichte erzählt werden.

Stefano Benni hat in seinem Roman schon zu Beginn ein sehr klar strukturiertes Inhaltsverzeichnis angebracht. Es umfasst Abschnitte, Hauptkapitel und Abschweifungen vom Thema. So könnte man es zumindest sehen. Liest man das Buch jedoch, bleibt von dieser Struktur wenig über, da die mitunter sehr kurzen Kapitel beinahe organisch ineinander übergehen. Was bedeutet, dass man sich in einer Spirale aus satirisch-überzeichneter Handlung, verzerrt-referenzierter Charaktere und wüsten Räuberpistolen befindet, die immer schneller rotiert. Hier muss sich der Leser wirklich anstrengen, um dem roten Faden, der in einer ziemlich skurrilen Zukunft zahlreiche Haken schlägt, wirklich auf der Spur zu bleiben. So gibt es im letzten Drittel des Werks Reime, Bilderrätsel und Diagramme, die auf ihre eigene verquerte Art Ordnung ins Chaos bringen wollen – dabei aber selbst ein integraler Bestandteil desselben sind. „Terra!“ ist definitiv kein Buch, das einfach zu lesen ist. Es macht jede Menge Spaß, benötigt aber trotzdem viel Aufmerksamkeit des Lesers, wenn dieser sich nicht nur von Kapitel zu Kapitel amüsieren, sondern auch zum Kern des großen Ganzen vordringen will.

„Terra!“ gilt als größtes Werk des italienischen Autors Stefano Benni. Ob zurecht, das steht auf einem anderen Blatt. Doch der aus dem Jahr 1983 stammende Roman vermag es heute noch, Leser zu beschäftigen, den Menschen einen mit viel Satire und Fantasie durchzogenen Spiegel vorzuhalten und ganz bestimmt zu fesseln. Und doch benötigt es einige Konzentration, um sich nicht in den vielen Schichten des Werks zu verlieren. Wer nur nach Humor sucht, findet diesen zwar, ihm entgehen jedoch die zahlreichen weiteren Aspekte des Werks.

Details

Bewertung

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  • Humor:
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