Die letzten Tage der Nacht

von Graham Moore
Rezension von Manfred Weiss | 11. April 2017

Die letzten Tage der Nacht

Geschichtliche Ereignisse und ihre Aufarbeitung in Form eines Romans. Man lernt und wird gleichzeitig unterhalten. Manchmal vergisst man fast, dass das Erzählte Fiktion ist, manchmal entsteht das Bedürfnis vom realen geschichtlichen Hintergrund mehr erfahren zu wollen. So auch hier. Wie war das, als das elektrische Licht entstanden ist, der elektrische Strom? Wer hat was beigetragen. Welche Mächte, Kräfte und wirtschaftlichen Faktoren haben am Weg dahin gewirkt? Wie nah stand der elektrische Stuhl am Lichtschalter, der die Welt elektrisch erleuchtet hat? In der Nachbetrachtung erscheint Geschichte oft viel ruhiger als im Tumult der Gegenwart. “Die letzten Tage der Nacht” führt zurück ans Ende des 19.Jahrhunderts, in eine spannende frühe Phase der Elektrifizierung der Welt.

Paul Cravath ist ein aufstrebender junger Rechtsanwalt. Am Beginn seiner Karriere stehend ist er die erste Wahl von George Westinghouse um ihn in seinem langwierigen Rechtsstreit mit Thomas Edison um die Urheberschaft der Erfindung der elektrischen Glühbirne zu vertreten. Ein aussichtslos scheinendes Unterfangen, in dem Edison immer die Nase vorne zu haben scheint. Doch dann taucht plötzlich Nikola Tesla, der junge, kauzige Erfinder mit serbischer Abstammung in New York auf und die Karten im Wettlauf um den Anspruch die Glühbirne erfunden zu haben werden neu gemischt. In das Ringen um Macht, Ruhm und Geld mischt auch noch die berühmte aber mysteriöse Sängern Agnes Huntington mit ihrer Mutter mit, die ebenso die anwaltliche Unterstützung von Paul Cravath suchen. Und am Ende wird die Glühbirne den Weg zum Ende der Nacht bereiten.

Die letzten Tage der Nacht

Graham Moore nutzt für “Die letzten Tage der Nacht” zahlreiche Personen, Handlungsstränge und Fakten aus der realen Geschichte rund um Erfindung und Verbreitung der elektrischen Glühbirne und vermischt sie mit viel Fiktion zu einer spannenden Handlung. Vor allem der realgeschichtliche Teil rund um Edison, Tesla und Westinghouse und den Wettlauf um Erfindung und Ruhm ist faszinierend. Das Licht, das die Nachbemerkung des Autors darauf wirft, macht das Ganze doppelt spannend.

Die Handlung selbst ist schlüssig und einfach aufgebaut und vermeidet große Sprünge. Geschickt verwebt der Autor diverse Situationen, Ereignisse und Personen und spielt mit Historischem, fundierten Annahmen und wilder Spekulation. Die chronologische Abfolge und der Verzicht auf große zeitliche oder örtliche Sprünge machen den Roman darüber hinaus leicht lesbar.

Jedes Kapitel wird mit einem Zitat eingeleitet. Weniger bezogen auf den konkreten Inhalt des jeweiligen Kapitels, sondern mehr auf das generelle Thema des Buches: Innovation und die Suche nach dem, was es noch nicht gibt. Die Frage nach dem Wesen des Erfindens. Teilweise kommt da Edison selbst zu Wort, teilweise auch Bill Gates oder noch viel häufiger Steve Jobs. Aber auch Karl Popper und zahlreiche andere werden immer wieder mal zitiert. Eine breite Vielfalt. 72 Kapitel lassen viel Spielraum.

Durchwoben wird die üppig sprießende Handlung mit Gedanken zum Vorgang des Erfindens selbst und den verschiedenen Ansätzen, wie Erfindungen entstehen können. Durchaus nicht unspannend.

Das Buch ist darüber hinaus wohltuend unspektakulär und stimmig übersetzt. Die Übersetzung wird dem Ort der Handlung, Amerika am Ende des 19.Jahrhunderts, gerecht.

“Die letzten Tage der Nacht” ist eine faszinierende Mischung aus realem Hintergrund und romanhaft aufbereiteter Handlung. Das Buch bietet damit sowohl für den historisch Interessierten als auch für den Romanliebhaber vielerlei Unterhaltsames und Faszinierendes. Lernen und Lesen verknüpfen sich auf spannende Art. Es ist aber natürlich kein Technikbuch. Wissenschaft und Technik selbst, auch wenn immer wieder versuchsweise anschaulich erklärt - beispielsweise die Unterscheidung Gleichstrom/Wechselstrom - sind in der Handlung letztlich nur Mittel zum Zweck einer vielfältigen Geschichte. Aber das ist im spannenden Streit um die Elektrifizierung der Welt rasch vergessen.

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