Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung


Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können
von Ulrike Herrmann
Rezension von Elisabeth Binder | 25. November 2016

Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung

Ulrike Herrmann widmet ihr neuestes Buch den Studierenden der Ökonomie. Das ist Anspruch und Programm zugleich für „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“. Denn, laut Herrmann, mittlerweile ist die universitäre Volkswirtschaft weit hinter ihre historischen Vorväter zurückgefallen, was das Verständnis und die Erklärungsansätze für die Vorgänge in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem betrifft.

Dabei müsste das nicht so sein, würden sich die Ökonomen von heute intensiver mit den Theorien ihrer Vorgänger, nämlich Adam Smith, Karl Marx und John Maynard Keynes, auseinandersetzen.

Zu jedem der drei Theoretiker des Kapitalismus gibt es zunächst ein biographisches Kapitel, um die jeweiligen Hauptwerke, auf die danach eingegangen wird, aus dem historischen Kontext heraus besser verständlich zu machen. Dabei wird erst deutlich, wie bahnbrechend manche der Ideen zur Zeit ihrer Entstehung waren. Adam Smith war der erste Ökonom, der erkannte, dass der Wohlstand auf menschlicher Arbeit beruht und nicht in der Anhäufung von Gold und Silber. Gleichzeitig ließ er aber ein paar Lücken und Widersprüche in seiner Theorie offen, was die Entstehung von Preisen und Gewinnen betraf, die erst von seinen Nachfolgern gelöst wurden. Gute 90 Jahre nach Smith hat Karl Marx im 1867 erschienen „Kapital“ einen Versuch unternommen, die offene Frage nach der Herkunft des Gewinns zu lösen. Er sieht den Einsatz menschlicher Arbeit, die über die reine Erhaltung der eigenen Arbeitskraft hinausgeht, als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung im Kapitalismus. Gleichzeitig war er erste, der die Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems erkannte. Die unerbittliche Konkurrenz zwischen den Unternehmern, die die Wirtschaft antreibt, führt dazu, dass nur wenige, große Unternehmen überleben können. John Maynard Keynes konnte schließlich mitseiner „General Theory“ von 1936 und seinen Überlegungen zur Rolle des Geldes im Kapitalismus die Wirtschaftskrise von 1929 schlüssiger erklären als der ökonomische Mainstream seiner Zeit. Er machte sich auch Gedanken über ein ausgewogenes Weltwährungssystem, das jedoch in der Siegerlogik des Zweiten Weltkriegs unterging.

Die Autorin arbeitet sehr deutlich heraus, dass alle drei Ökonomen etwas gemein haben. Sie verstehen die Wirtschaft als ein dynamisches und soziales System, das in seiner Gesamtheit betrachtet werden muss. Im Gegensatz dazu gehen die neoklassischen Theoretiker, an denen Ulrike Herrmann wenig Gutes finden kann, davon aus, dass Wirtschaft die Tauschgeschäfte ökonomisch rational handelnder Einzelpersonen einfach aggregiert. Der Gehalt dieser Theorie ist, wie die Autorin in einem abschließenden Kapitel zeigt, auch deshalb so gering, weil sie nur unter ganz eng abgesteckten, im realen Leben selten anzutreffenden Rahmenbedingungen funktioniert. Umso rätselhafter ist daher, warum sich eine Theorie mit so niedrigen Erklärungswert so erfolgreich die letzten 100 Jahre durchsetzen konnte. Darüber gibt es im Buch nur Vermutungen, aber keine eindeutigen Beweise.

„Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“ zeichnet sich vor allem durch seine Lesbarkeit aus. Ulrike Herrmann schildert die Lebensläufe von Smith, Marx und Keynes sehr lebendig und erklärt deren Theorien verständlich und klar. Wer an Details interessiert ist, kann in den 36 Seiten Anmerkungen weiterlesen. Vor allem macht das Buch auch wieder Lust darauf, die Originale selbst zu lesen. Zu hoffen bleibt nur, dass es den Studierenden der Ökonomie auch so geht.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    09/2016
  • Umfang:
    288 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783864891410
  • Preis (D):
    18 €

Bewertung

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