Die Buchbinderin von Oxford

von Pip Williams
Rezension von Emilia Engel | 31. März 2024

Die Buchbinderin von Oxford

Nicht immer war es so leicht wie heutzutage, seine Träume zu erfüllen. Gerade als Frauen stand so etwas wie Erfüllung der Träume nicht einmal im Bereich des Möglichen. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts begannen Frauen mehr Rechte einzufordern.
Peggy ist in diese Zeit hineingeboren. Neben all ihrer Arbeit und Verantwortung in der Buchbinderei und Zuhause mit Maude, ist klar, dass ihr dieses Leben nicht genügt. Sie braucht mehr und langsam öffnet sich ein Tor für sie, das ihr neue Wege zeigt.

Es ist das Jahr 1914, England. Die Zwillingsschwestern Peggy und Maude leben auf einem Hausboot in einem armen Stadtteil namens Jericho. Verwandte haben die beiden keine mehr, ihre Mutter ist vor einigen Jahren gestorben. Peggy achtet genau auf ihre Schwester, denn Maude ist von jeher besonders - still, sensibel, verletzlich und wird oft von anderen Menschen missverstanden. Doch manchmal wird Peggy diese Verantwortung auch zur Last.
Die jungen Frauen arbeiten in der Buchbinderei der Oxford University Press. Sie falzen die Bögen, die später zu Büchern gebunden werden sollen. Es ist eine Arbeit, die Präzision erfordert, doch nicht sehr fordernd ist. Tagein, tagaus ist es derselbe Tanz, den Peggy und Maude hier mit ihren Freundinnen und Kolleginnen tanzen.
Doch Peggy will mehr. Die Liebe zu Büchern und dem Lesen hat ihr ihre Mutter mitgegeben und so geht kein Bogen eines Buches an Peggys Händen vorbei, den sie während des Falzens nicht studiert. Insgeheim würde sie sich wünschen, als Studentin ans Sommerville College zu gehen. Aber als Arbeiterin und aus diesen ärmlichen Verhältnissen ist es nur ein Traum, der kaum eine Chance auf Erfüllung hat. Als England in den Krieg einsteigt, verändert sich einiges. Die Männer gehen an die Front, die Frauen müssen noch mehr arbeiten. Zusätzlich zu ihrer Arbeit beginnt Peggy eine ehrenamtliche Stelle als Vorleserin in einem Krankenhaus. Dort macht sie Bekanntschaften, die sehr wichtig für Peggy werden und großen Einfluss auf sie nehmen. Eine neue Freundin und ein schwerverletzter Soldat.
Freundschaft, neue Gefühle, Wissensdurst, Ärger über die Ungerechtigkeit Frauen gegenüber, so vieles prasselt auf die junge Frau ein. In dieser Welt, in der Krieg, Armut und Krankheit herrschen, muss Peggy entscheiden, wo ihr Weg sie hinführen wird.

Pip Williams ist mit ihrem Roman “Die Buchbinderin von Oxford” ein ganz besonderes Buch gelungen. Es erzählt feinfühlig von einer jungen Frau, die sich in ihrem tiefsten Inneren mehr wünscht - Freiheit, Wissen und die Macht, Dinge zu verändern. Doch die Protagonistin bleibt ihrer Verantwortung Maude gegenüber treu. Die Beziehung der Schwestern zueinander ist nicht nur deshalb so eng, weil sie Zwillinge sind, sondern weil da immer dieses Wissen und die Pflicht war, auf Maude aufzupassen. Mit Ausbruch des Krieges und all den einhergehenden Veränderungen beginnt sich diese Beziehung zu verändern. Aber auch Peggy wagt neue Wege. Bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit lernt sie eine junge Frau namens Gwen kennen, die Studentin ist und aus gutem Hause kommt. Es bringt etwas in ihr zum Klingen, denn Gwen hat etwas, das sie möchte und das einer Frau wie Gwen einfach in den Schoß gelegt wurde, ohne dass sie sich überhaupt dafür bemühen muss. Es ist eine komplexe Freundschaft, nicht immer leicht, aber sehr wertvoll.
Auch die Begegnung mit einem Mann ist für Peggy ein wichtiger Meilenstein. Es ist eine völlig unerwartete Liebe, die sich unbemerkt angeschlichen hat. An Hindernissen mangelt es auch hier nicht. Der Krieg hat viele Verletzungen mit sich gebracht, seelische und körperliche.
Pip Williams will mit diesem Buch einen Blick darauf richten, was mit den Frauen war, die zurückgeblieben sind, als die Männer in den Krieg zogen. Die Arbeit, die die Frauen zusätzlich machen mussten. Die Sorgen, die Angehörige der Soldaten quälten. Aber auch abseits des Krieges gibt es wichtige Themen im Buch. Zum Beispiel die Frauenbewegung, die für das Wahlrecht kämpft.
Unerwähnt darf man auch nicht lassen, wie hervorragend es die Autorin schafft, die Liebe zu Büchern und deren Herstellung wiederzugeben. Die recht detaillierten Schilderungen wecken sicher in einigen bibliophilen Leser*innen den Wunsch, noch mehr darüber zu erfahren, wie Bücher gemacht werden.

Alles in allem ist dieses Werk wunderbar gelungen. Das Buch ist vielseitig und fesselnd, dabei aber auch überaus informativ. Die Autorin hat viel Zeit in ihre Recherche investiert, wie dem Nachwort zu entnehmen ist. Man merkt, dass in “Die Buchbinderin von Oxford” viel Liebe steckt, sowohl was die Geschichte als auch die Protagonisten betrifft, als auch…..  Es ist eine Freude, dieses Buch zu lesen, das dem Leser und der Leserin einfach mehr bietet, als bloße Unterhaltung.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    The Bookbinders of Jericho
  • Übersetzer*in:
    Christiane Burkhardt
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    11/2023
  • Umfang:
    512 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783453274617
  • Preis (D):
    22 €

Bewertung

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