• Home
  • Sachbücher
  • Sauerei!: Bauer Willi über billiges Essen und unsere Macht als Verbraucher

Sauerei!: Bauer Willi über billiges Essen und unsere Macht als Verbraucher

von Willi Kremer-Schillings
Rezension von Elisabeth Binder | 01. April 2016

Sauerei!: Bauer Willi über billiges Essen und unsere Macht als Verbraucher

Spätestens seit Anfang 2015 gibt es nicht nur Wutbürger, sondern auch Wutbauern. Bauer Willi, hinter dem sich der promovierte Agrarwissenschafter und aktive Landwirt Dr. Willi Kremer-Schillings verbirgt, musste einfach einmal seiner "Wut" über die Verbraucher und ihre "Geiz ist geil"-Mentalität freien Lauf lassen. Aus den Thesen dieses Wutbriefs ist inzwischen ein Buch entstanden, das einerseits seine Wut mit Fakten und Zahlen untermauert und andererseits für ein gegenseitiges Verständnis, einen Dialog zwischen Produzenten und Konsumenten wirbt.

Weil die Mehrzahl der Verbraucher sehr weit vom Ursprung der Lebensmittel entfernt ist, handelt gut ein Drittel des Buch davon, wie Landwirtschaft heute eigentlich funktioniert, wie der Alltag eines Bauern, wie er selbst einer ist, im 21. Jahrhundert aussieht. Da wird sehr schnell klar, dass sich die Produktion und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht bloß in einer ländlichen Idylle abspielt. Preise für Getreide werden auf Rohstoffterminbörsen gehandelt. Die EU, deren Förderungen zwischen 20 und 40 Prozent des Einkommens von Landwirten ausmacht, sorgt mit ihren überdimensionierten Formularen und Anträgen dafür, dass Bauern ihre Zeit nicht ständig an der frischen Luft verbringen müssen. Und was die Technik in der Landwirtschaft betrifft, sei nur gesagt: ohne geht fast gar nichts mehr. Unterm Strich sind Bauern also ganz normale Unternehmer, deren Erzeugnisse noch immer eine Sonderstellung einnehmen, denn die Sicherung und Sicherheit von Nahrungsmitteln dient der Befriedigung von elementaren menschlichen Bedürfnissen. Kleine Seitenhiebe auf die geregelten Arbeitszeiten von Handwerkern und Angestellten, auf Betriebsräte und gewerkschaftliche Organisation kann er sich an dieser Stelle nicht verkneifen. Zumindest bleibt auch die Kirche nicht verschont, die versucht doch glatt mit Bauernschelte Publikum zu gewinnen.

Jetzt wissen die LeserInnen also, wie es bei den Bauern zugeht und unter welchen Bedingungen landwirtschaftliche Produkte erzeugt und vermarktet werden. In einem nächsten Schritt richtet Bauer Willi seine Aufmerksamkeit auf seine LeserInnen, denn "die Ängste der Verbraucher sind die Albträume der Bauern". Hier geht Kremer-Schillings auf Klassiker der Natur- und Umweltschutzbewegungen wie Gentechnik, Pestizideinsatz, Massentierhaltung, künstliche Düngung und die Saatgutkonzerne ein. Er nimmt diese Ängste durchaus ernst und versucht sie mit Argumenten zu entkräften. Vor allem wird er nicht müde auf die offenen Widersprüche hinzuweisen. Landwirtschaftliche Produkte sollen in allen Aspekten umweltschonend produziert werden, könnten aber zu ihrem wahren Preis nicht verkauft werden.

Wer allerdings in diesem Buch wirklich nicht gut wegkommt, sind die Mittelsmänner, vor allem der Lebensmitteleinzelhandel. Die Konzentration in dieser Branche ist bekanntlich sehr hoch und wird politisch auch weitgehend ignoriert. Dadurch entstehen Nachfragemonopole, die über vielfältige Methoden verfügen, den Preis von Lebensmitteln zu senken. Da gibt es die gefürchtete Auslistung von bestimmten Lebensmitteln, wenn "der Preis nicht stimmt" oder aber ganz offizielle Listungsgebühren, eine oft deftige Eintrittsgebühr in die Regale der Lebensmittelketten.

Was können also KonsumentInnen selbst tun, um ihre Macht, die im Untertitel des Buchs angesprochen wird, auch sinnvoll einzusetzen. Damit beschäftigt sich das letzte Kapitel. Hier wird die Suppe ein bisschen dünner bzw. folgt es ausgetretenen Wegen: weniger Lebensmittel wegschmeißen, selbst kochen, beim Lebensmittelkauf die Mittelsmänner umgehen und Ernährung als Pflichtfach in Schulen einführen - kurzum er wünscht sich mündig Konsumenten für seine Produkte. Seinen Berufskollegen gibt er noch mit, dass sie ihr Image über die Nutzung von sozialen Medien verbessern könnten. Mit diesen Vorschlägen rennt er wohl bei den meisten LeserInnen offene Türen ein. Aber wirklich Neues wird sich wohl erst dann entwickeln, wenn Produzenten und Konsument direkter miteinander in Kontakt treten.

Insgesamt ist "Sauerei!" ein informatives Buch, in dem zwar wenige Schweine vorkommen, interessierte LeserInnen aber viel über die Lebensrealität der Erzeuger ihrer Lebensmittel erfahren. Bauer Willi meint es im Übrigen auch ernst mit seinem Bemühen um den Dialog zwischen Bauern und Verbrauchern. Er betreibt ein Blog (http://www.bauerwilli.com/), in dem er aktuelle Themen aufgreift und sich auch nicht scheut, die eigene Zunft in die Pflicht zu nehmen, oft schärfer als das im Buch geschieht.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch:
  • Humor: