Für Christus und Venedig


Die Korfu-Saga des Feldmarschalls Graf Johann Matthias von der Schulenburg
von Sibyl von der Schulenburg
Rezension von Gabriel Zupcan | 06. September 2016

Für Christus und Venedig

1715: Die Republik Venedig befindet sich im Krieg mit dem Osmanischen Reich. Nach und nach verlieren die Venezianer ihr zuvor erobertes „Königreich Morea“ auf dem Peloponnes und die Osmanen bedrohen die Festungsinsel Korfu, den Wachtposten der unteren Adria. Es braucht fähige Kommandanten um die Türken zurückschlagen zu können. In die Bresche springt Matthias Johann von der Schulenburg, seines Zeichens sächsischer General aus den Diensten Augusts des Starken.

Wir befinden uns im opulenten Zeitalter des Barock. Die Zeit steht im Zeichen des Sonnenkönigs, Ludwig XIV., in Wien regiert Kaiser Karl VI., der Vater von Maria Theresia. Kriege bedrohen das Reich an allen Grenzen, doch der Kaiser verfügt über einen der berühmtesten Feldherren der Geschichte. Prinz Eugen von Savoyen, eine Art französisch-italienischer Renegat. Kunstsinnig und kühl kalkulierend ist der kleine Mann entscheidend für die Erfolge der kaiserlichen Armeen. Bis heute in seinem Schatten steht Graf Matthias von der Schulenburg. Ein erfolgreicher und kompetenter Heerführer mit ebenso viel Kunstsinnigkeit, jedoch vermutlich außerhalb von historisch interessierten Kreisen im deutschen Sprachraum nicht allzu bekannt. Die Autorin, Sibyl von der Schulenburg setzt ihrem großen Vorfahren mit diesem Werk ein literarisches Denkmal.

Die Geschichte beginnt mit der Anwerbung Schulenburgs, der sich auf ein ruhiges Landgut zurückgezogen hat. Sofort werden schwere Geschütze aufgefahren. Der schwedische Soldatenkaiser Karl XII. reitet schnell mal vorbei und argumentiert total durchgeknallt dafür, dass Schulenburg sich in die Dienste Venedigs begeben soll. Als venezianischer Heerführer soll er so die rechte Flanke der balkanesischen Front für den Prinzen Eugen bilden, während dieser im von den Osmanen besetzten Ungarn kämpft. Ebenso zugegen ist das Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz, einer der berühmtesten Gelehrten des Barock und Freund Schulenburgs. Durch solcherlei und weibliche Überzeugungsarbeit seiner ehemaligen venezianischen Geliebten begibt sich Schulenburg entschlossen nach Wien. Dort gerät er erst einmal in einen Intrigenpfuhl sondergleichen. Agenten und Doppelagenten des Sultans treiben sich herum. Prinz Eugen braucht seinen alten Kampfgefährten, insgeheim jedoch fürchtet er, dieser könnte mehr Ruhm auf sich laden als er selbst. Und dazwischen tummeln sich zahlreiche resolute Barock-Damen, die den stoisch-charmanten Schulenburg umschwärmen. Hatte man vermutet dass der Großteil des Buches sich, wie angekündigt, mit der historischen Belagerung von Korfu beschäftigen wird, so wird man überrascht. Mehr als die Hälfte der Seiten braucht es, bis Schulenburg durch Wiener und venezianische Intrigen endlich die griechische Insel erreicht. Dann geht es mehr Schlag auf Schlag. Mit einem großen Sammelsurium an leicht skurrilen und markanten Mitstreitern, die Schulenburg mitnehmen konnte, wird die Schlacht gegen das zahlenmäßig überlegene Heer der Osmanen geschlagen. Dazwischen ereignen sich noch verschiedene Schicksalsschläge, bevor in einem längeren „Abspann“ die Nachwirkungen der erfolgreichen Verteidigung Korfus beleuchtet werden.

Wie man rasch merkt, ist der Roman ohne eine zugehörige Portion der Kenntnisse des Barockzeitalters eher schwierig zu lesen. Es gibt zahlreiche historische Persönlichkeiten und Ereignisse die auftreten und erwähnt werden. Für den „Einsteiger“ in diese Periode ist es somit schwierig, den Dialogen zu folgen. Ein Plötz oder die Wikipedia zur Hand empfehlen sich. Hingegen stößt der historisch Versierte schmunzelnd auf diese Details. Der Autorin gelingt es zwar ein Feuerwerk an Perücken und Gehröcken zu entfesseln, dennoch fehlt es an Atmosphäre. Vieles wird schnell, fast wie im Schnelldurchlauf erzählt und das wirkt etwas flau. Hingegen wird in den Dialogen durch stets wiederholte Mantras Überzeugungsarbeit, auch am Leser, geleistet. Das wirkt langweilig und träge, obwohl hier und da richtig schneidiger Witz durchblitzt. Es wird, wie man es vom Barock wohl erwartet, zwar reichlich intrigiert und spioniert, doch die Motivation der beteiligten Charaktere bleibt oft etwas seicht. Das liegt sicherlich auch an der großen Anzahl an Personen, die sich um Schulenburg tummeln und für deren genaue Charakterisierung nur wenig Platz bleibt. Hingegen wird oft betont wie wichtig Schulenburgs Entscheidung, den inkompetent-dekadenten Venezianern zu helfen, für Europa ist. Ohne den Sieg bei Korfu, so wird argumentiert, wäre die Republik Venedig rasch an die Osmanen gefallen. Das sei dahingestellt. Fakt ist, dass die Erfolge des Prinzen Eugen in im Türkenkrieg von 1714 bis 1718 im deutschen Sprachraum ein weit größeres Echo finden, als Schulenburgs Sieg auf Korfu. Das liegt wohl auch daran, dass der Marschall sein restliches Leben in Italien verbracht hat. Überraschend ist es, dass es für einen Roman über eine große Schlacht relativ blutleer bleibt. Auch die Erotik kommt trotz höfischer Liebeleien sehr kurz.

Ein bluttriefendes, schmutziges Kriegsepos aus einer prunkvollen, jedoch wenig hygienischen Zeit ist dieser Roman nicht. Das ist vermutlich von Vorteil für empfindlichere Leser. Kenner und Freunde des Barock werden sich aber über einen Roman der mit berühmten Figuren nur so überläuft und die Tatsache, dass er einen einen (im deutschen Sprachraum) weniger bekannten Aspekt der Geschichte beleuchtet, freuen.

Details

Bewertung

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