Echtzeitalter

von Tonio Schachinger
Rezension von Emilia Engel | 17. April 2023

Echtzeitalter

In den Medien wird der neue Roman von Tonio Schachinger “Echtzeitalter” bereits hoch gelobt. Als moderner Schüler Gerber wird er angesehen. Auch wir haben uns dieses Buch zu Gemüte geführt.
Schachinger schreibt von einer Zeit im Leben eines jungen Menschen, die zugleich die schwierigste sein kann und doch auch jede Menge Hochgefühle bietet - die Schulzeit. Die Zeit des Erwachsenwerdens und Sich-selbst-Findens. Wer sich an diese Zeit aus seinem Leben nicht mehr so genau erinnert, darf sich freuen, dank dieses Buches wieder daran erinnert zu werden.

Das Marianum ist die Eliteschule in Wien. Wer  Ansehen und  Geld hat, schickt sein Kind hierhin. Auch Till kommt in diese Schule. Tendenziell haben die Schüler im Marianum ein relativ angenehmes Leben, doch Till hat das Pech und bekommt genau den einen Lehrer als Klassenvorstand und Deutschlehrer, der den Schülern das Leben mehr als nur ungemütlich macht - den Dolinar.
Dolinars Klassen sind bekannt für ihre Disziplin. Der Dolinar verlangt viel von seinen Schülern, teilt Strafen aus, streicht den Kindern ihre Freizeit und mobbt seine Schüler - und scheint daran großen Gefallen zu finden. Die ersten Jahre schafft es Till ganz gut durchzukommen und wenig aufzufallen. Bis er in die Schusslinie vom Dolinar gerät. Und dann hagelt es nur so von Strafarbeiten und Sanktionen. Als sein Elternhaus zerrüttet, öffnen sich die Tore für etwas mehr Freiheit. Till wird von dem Spiel Age of Empires 2 in den Bann gezogen und findet darin einen guten Ausgleich zu dem Druck in der Schule und den Erwartungen seines Klassenvorstandes. Im Laufe der Zeit wird Till nicht nur gut in dem Spiel, sondern zu einem der besten Spieler der Welt. Während die Größen der AoE2 -Welt auf Till aufmerksam werden, ist er in seiner Schulwelt bestenfalls unteres Mittelmaß, oder schlechter. Als Till die etwas jüngere Feli und ihre Freundin Fina kennenlernt, entwickeln sich erstmals ernsthafte Freundschaften. Till verbringt viel Zeit mit den beiden Mädchen. Hört viel über ihre Meinungen zur aktuellen Politik, Literatur und anderen Themen.
Wie viele Schüler erlebt Till seine Schulzeit mit wenigen Aufs und vielen Abs. Er muss mit dem Verlust seines Vaters zurechtkommen, der nach längerer Krankheit stirbt. Er muss für sich einen Weg finden, mit den Attacken seines Lehrers zurechtzukommen, aber auch herausfinden, ob es in der Gaming-Welt einen zukunftsträchtigen Platz für ihn gibt. Und schließlich gibt es da ja auch dieses Mädchen, für das er sich immer mehr zu interessieren beginnt.

Der Wiener Autor Tonio Schachinger hat mit seinem zweiten Roman “Echtzeitalter” ein fesselndes Buch geschrieben, in dem wir dem Jungen Till durch seine Schulzeit folgen. Die in Wien beheimateten Leser und Leserinnen werden ziemlich schnell feststellen, dass Schachingers Schule an das bekannte Theresianum angelehnt ist. Mit Till haben wir einen scheinbar relativ gewöhnlichen Protagonisten. Er will nicht auffallen und seine Zeit in der Schule einfach absitzen. Wie viele Jugendliche sucht er Ablenkung mit Computerspielen. Dies ist seine eigene Welt, in der er die reale Welt völlig ausblenden kann. Doch anders als viele landet Till damit unter den besten der Welt. Der Autor gibt uns hier einen guten Einblick in das Spiel Ages of Empires 2, Fachbegriffe des Spieles und berichtet auch über einen berühmten AoE2 Caster, den es wirklich gibt. Das ist ein spannender Aspekt, dass der Autor nicht einfach etwas erfindet und macht diese Erzählung umso spannender.
In diesem Roman begleiten wir den Protagonisten durch acht Schulklassen mit seinem tyrannischen Klassenlehrer. Tonio Schachinger ist dies relativ gut gelungen, ohne Langeweile aufkommen zu lassen. Ab und an gibt es Stellen, bei denen das Lesen ins Stocken gerät, etwa kleine Abschweifungen über Randpersonen oder Diskussionen der Jugendlichen. Gebannt lesen wir durch die Stellen mit dem Dolinar und bangen schon mit, was er sich diesmal für seine Schüler einfallen lässt. Daraus, dass er sich aus Tills Computerspielerei nichts macht bzw. es ihm sogar äußerst missfällt, macht er keinen Hehl und macht Till das Leben so schwer wie möglich.
Tonio Schachingers Erzählweise ist erst etwas gewöhnungsbedürftig. Wir lesen die Geschichte durch das auktoriale Erzählen, was mehr Distanz zum Protagonisten und dem Geschehen herstellt, als man es von anderen Erzählweisen kennt. Doch schon nach Kurzem hat man sich daran gewöhnt und genießt den Vorteil, dass man auch Einblick in andere Personen und Begebenheiten bekommt, die nicht nur mit Till zu tun haben.

Für “Echtzeitalter” können wir eine klare Buchempfehlung aussprechen. Es ist nicht nur eine vielseitige Geschichte mit gesellschaftskritischen Aspekten, sondern besticht auch durch das wirklich gut getroffene Wiener Flair. Leserinnen und Leser aus Wien und solche, die mit Österreichs Hauptstadt vertraut sind, werden sich freuen. von so einigen gut bekannten Wiener Orten zu lesen.

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