Goyas Geister

von Jean-Claude Carriére, Milos Forman
Rezension von Janett Cernohuby | 26. Januar 2009

Goyas Geister

Die Inquisition, eine mittelalterliche und frühneuzeitliche Form der Gerichtsverfahren, war lange Zeit der Inbegriff des Schreckens. Einmal in ihre Hände geraten, kam der Angeklagte nur selten frei, geschweige denn mit dem Leben davon. Die Aufgabe der Inquisition bestand darin, Ketzer, Häretiker und vermeintliche Hexen aufzuspüren. Verdächtige, die nicht gestehen wollten, wurden peinlich befragt, was im Klartext Folter bedeutete. Und so gestand jeder unter Schmerzen, was die Ankläger hören wollten. An dieser, uns absurd vorkommenden Verhörmethode wurde nicht gezweifelt. Die Inquisitoren waren sich einig:
Einem Unschuldigen verleiht Gott die nötige Kraft, die Schmerzen der Befragung zu ertragen. Wie lächerlich diese Aussage ist, bekommt auch der Dominikaner Lorenzo in dem Roman "Goyas Geister" zu spüren.

Die achtzehnjährige Kaufmannstochter Inés Bilbatua wird der Ketzerei angeklagt und von der spanischen Inquisition verhört. Ihre Familie ist entsetzt, weiß sie doch, dass ihre Tochter unschuldig und eine gläubige Christin ist. Inés Vater bittet seinen Freund, den Maler Goya um Hilfe, da dieser den Inquisitor Lorenzo kennt. Bei einem gemeinsamen Abendessen im Hause Bilbatua demonstriert der Hausherr Lorenzo, wie lächerlich seine Rechtfertigung zur Anwendung der peinlichen Befragung ist. Er zwingt den Dominikaner ein Geständnis abzulegen, dass jener ein Affe sei. Dieses Geständnis gelangt schließlich zur Inquisition und Lorenzo wird aus dem Orden ausgeschlossen. Er muss nun selbst vor der kirchlichen Gerichtsbarkeit fliehen. Sein Weg führt ihn nach Frankreich, das von den Folgen der französischen Revolution stark geprägt ist. Hier ändert Lorenzo seine Einstellung gegenüber der Kirche und wird sogar zu einem Ankläger der Inquisition. Unter der Herrschaft Napoleons gelangt er zu großem Reichtum und Einfluss, danach kehrt er nach Madrid zurück.
Durch den Einfall von Napoleons Truppen kommt Inés nach 15 Jahren Gefangenschaft endlich frei. Nachdem sie feststellen musste, dass ihre Familie tot ist, wendet sie sich dem einzigen, noch lebenden Bekannten zu: dem Maler Goya. Ihm offenbart sie, dass sie im Gefängnis ein Kind bekommen hat und dieses nun finden möchte. Goya ist bereit, ihr zu helfen. So kreuzen sich erneut die Wege von Inés, Goya und Lorenzo, in dem die seelisch gebrochene Frau den Vater ihres Kindes erkennt. Doch ihr Leiden ist noch lange nicht vorbei und auch die Suche nach ihrer Tochter schein nicht von Erfolg gekrönt zu sein...

"Goyas Geister" verspricht eine fesselnde Handlung zu einer Zeit politischer und sozialer Umbrüche und mit geschichtsträchtigen Charakteren. Zwar wird dem Leser eine durchaus tragische und mit Ränken versehene Handlung geboten, die jedoch leider durch lange, fast schon referatsartige Ausführungen über die geschichtlichen Ereignisse jener Epoche unterbrochen wird. Diesen Qualitätsverlust hätten die Autoren zweifellos vermeiden können, wenn sie fünfzehn Jahre im Leben der zentralen Charaktere - Lorenzo, Goya und Inés - sowie die Folgen der französischen Revolution nicht auf einigen wenigen Seiten abgehandelt hätten. Stattdessen hat der Leser das Gefühl, dass die Autoren irgendwie versuchten, diese lange Zeit schnell vorbeigehen lassen zu wollen, ohne viel Tinte für Worte zu verschwenden. Dies schmälert nicht nur die Lesefreude, sondern auch die Entwicklung der Charaktere. Der Leser hat keine Möglichkeit, die Entwicklung der drei Figuren mitzuerleben. Kurz wird ihm erzählt, wie es dem einzelnen erging. Mit den entwickelten Charakter muss sich der Leser danach abfinden. Doch wer ist der Mensch hinter dem Namen? Warum wurde er so, wie er ist? Welche Erfahrungen und Entbehrungen musste er hinnehmen? - All diese entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet.
Trotzdem ist das Werk ein Buch, das überzeugt und es auf gewisse Art schafft, den Leser mitzureißen. Man erfährt von dem tragischen Leben Inés, wie eine lächerliche, persönliche Meinung eine ganze Existenz zerstören kann. Wer die Geschichte begreifen will, muss also sein Hauptaugenmerk auf die Stellen richten, in denen es um die drei zentralen Figuren geht und die geschichtlichen Fakten ausblenden. Natürlich bieten diese sehr viel Information über die damalige politische Entwicklung, aber man hätte diese Informationen durchaus geschickter verpacken können.

'

So bleibt am Ende das Gefühl, eine berührende Geschichte gelesen zu haben, deren Autoren sich aber bei der Umsetzung nicht genügend Mühe gaben und so viel Potential verschenkten. Kann man das Buch empfehlen? Ja und nein. Sicherlich, jemand der bereit ist, diese Mankos hinzunehmen, sich nur auf das traurige Leben Inés zu konzentrieren und dem einen oder anderen Faden selber weiterzuspinnen, dem wird das Werk sicherlich zusagen. Alle anderen werden "Goyas Geister" wohl eher enttäuscht zur Seite legen.

'

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
    Keine Bewertung
  • Erotik:
    Keine Bewertung