Der Fall von Gondolin

von Christopher Tolkien, J. R. R. Tolkien
Rezension von Stefan Cernohuby | 23. September 2018

Der Fall von Gondolin

Es ist niemals weise zu behaupten, etwas niemals wieder zu tun. Das hat auch Christopher Tolkien erkannt, der in „Beren und Lúthien“ gemeint hat, dass er höchstwahrscheinlich kein Buch mehr schreiben wird – Grund dafür war sein fortgeschrittenes Alter. Nun hat er doch nochmal ein Werk nachgelegt, nämlich „Der Fall von Gondolin“. Und diesmal hat er geschrieben, dass er mit Sicherheit kein weiteres Buch schreiben wird.

Wie schon in „Beren und Lúthien“ hat Christopher Tolkien nicht versucht, eine Geschichte seines Vaters neu zu erzählen oder selbst zu Ende zu bringen. Er arbeitet die verschiedenen Abschnitte und Erwähnungen der Geschichte heraus. So kommt zu Beginn das Ende Gondolins so zum Vorschein, wie die ursprüngliche Geschichte war. Ein Mensch namens Tuor erreicht nach einer mühsamen Reise, aber von Ulmo gesegnet, die Stadt Gondolin. Dort verliebt er sich in die Tochter des Fürsten, wirbt um sie und gewinnt ihr Herz. Doch ihr Glück ist nicht von langer Dauer, denn ein Nebenbuhler verrät nicht nur sie sondern die ganze Stadt, paktiert mit Melko (Melkor, auch Morgoth genannt), was in einer gewaltigen Schlacht zum Untergang derselben führt, inklusive Kämpfen gegen Balrogs.
Es folgt ein kurzer Abschnitt, der sich den Verbannten von Gondolin widmet und danach ein nur minimal längerer Teil, welcher die Rolle des Falls von Gondolin im Gesamtkontext der Mythologie darstellt.
Eine weitere Version widmet sich weit detaillierter der Vorgeschichte von Tuor, wie er Waffen und Insignien seiner längst vergessenen Vorfahren gewinnt, von Ulmo gesandt wird und letztendlich in Gondolin eintrifft. Hier wechselt ein getipptes Manuskript zu einer letzten handgeschriebenen Seite, die danach nie fertig gestellt wurde.
Danach geht Christopher Tolkien nochmals auf die Charaktere ein, die mit den handelnden zu tun haben, beziehungsweise verwandt sind, um beinahe etwas abzudriften und deren eigene Geschichte anzureißen.

Im Gegensatz zum vorherigen erschienenen Werk halten sich hier die Referenzen in den Texten selbst stark in Grenzen. Christopher Tolkien deutet im Vorwort an, dass er diesmal absichtlich auf die Fußnoten verzichtet hat, um den Leser nicht „zwangszubeglücken“, da dies der Intention des Werks zuwiderliefe. Tatsächlich war wohl der Wunsch größer, dieses Buch fertigzustellen, da sich der Autor im vierundneunzigsten Lebensjahr befindet, und er selbst keine unvollendeten Arbeiten zurücklassen möchte. Irgendwie kein Wunder, wenn man bedenkt, dass er über vierzig Jahre lang die Hinterlassenschaften seines Vaters nachbearbeitet hat. Leider führt das dazu, dass dieses Buch nicht ganz so akribisch ausgearbeitet wirkt, obwohl trotzdem viel Arbeit in das Werk gesteckt wurde. Das macht das ganze letztendlich nur mehr zu einem Sammlerstück für alle, welche die ganze Bandbreite an Tolkien’schen Werken zuhause haben möchten. Denn für die klassischen Fantasyfans ist das Werk zu wenig Geschichte, für die interessierten Tolkien-Forscher zu wenig Sachbuch. Letztendlich ist „Der Fall von Gondolin“ also ein Buch, das man nicht genießen wird, aber als Fan trotzdem haben muss.

„Der Fall von Gondolin“ ist erneut das mutmaßlich letzte Werk von Christopher Tolkien, der hier nochmals auf Spurensuche in den Kreationen seines Vaters gegangen ist, und hat die verschiedenen Fragmente und Erwähnungen einer wichtigen Geschichte für seine Mythologie näher ausgearbeitet. Allerdings nicht mehr so akribisch wie früher. Und für normale Leser sind die tatsächlichen Textabschnitte zu kurz. Insofern ist das Werk leider für alle Leserschichten nur durchschnittlich gelungen – auch wenn das Sammlerherz trotzdem beim Durchblättern höher schlägt.

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