Mensch Rembrandt

von Michael Ladwein
Rezension von Michael Seirer | 17. Februar 2020

Mensch Rembrandt

Das Leben unterliegt beim Altern unterschiedlichen Phasen, mal stärker, mal weniger gut unterscheidbar. Bei Rembrandt manifestiert sich das Altern in seinen Werken und so bringt Wissen über sein Leben Einsicht in seine Werke und seinen Werdegang. Michael Ladwein zeichnet mit ausgewählten Werken alle Epochen der künstlerischen Entwicklung Rembrandts gekonnt nach. Nach den “Selbstportraits” ist dies das zweite Buch zum 350. Todestags Rembrandts.

Schon früh zeigten sich Eigenheiten wie Rückenfiguren oder versteckte Selbstportraits in seinen Bildern. Tiefergehendes Verständnis seiner Bilder gelingt nur mittels Wissen über seine Einstellung zu Religion, seinen Lebensverhältnissen und finanziellen Situation. Gekonnt erklärt der Autor Aspekte aus vielen Blickwinkeln und vertieft wo notwendig, wie zum Beispiel der Abschnitt zur Bedeutung des Spiegels. Schon bald widmet sich Rembrandt aber der Darstellung von Licht und Schatten und reduzierte die Farbpalette. Historisch problematisch war jedoch sein Werkstättenbetrieb: Einige seiner Werke sind wohl Ergebnisse seiner Schüler die er trotzdem selbst signierte.

Das Buch beschreibt Rembrandts Werdegang mit all seinen wichtigen Stationen wie der Umzug ins damals große, pulsierende Amsterdam, seiner Entwicklung als Porträtmaler, der sich trotz seines jungen Alters außergewöhnlich gut in Personen einfühlen konnte, und der Durchbruch mit “Die Anatomielehrstunde des Dr. Nicolaeas Tulpen” mit der er weg von der damals üblichen Aneinanderreihung von Personen bei Gruppenportraits hin zu einem klaren Zentrum wechselte. Früh vermochte Rembrandt es, nicht nur kurze vergängliche Züge im Gesicht festzuhalten, sondern eine Erhebung ins Zeitlose durch ein Summieren aller Eigenschaften zu erreichen. Unterstützt wird dies durch die von ihm betonte Wichtigkeit der Hände im Œuvre.
Nach einer kurzen, glücklichen Phase mit seiner Frau Saskia folgten einige Jahre mit schweren Schicksalsschlägen: Ein Sohn und eine Tochter starben kurz nach der Geburt, eine Schwester Saskias starb, danach eine weitere Tochter, seine Mutter und schließlich Saskia selbst. Dies stürzte Rembrandt in eine tiefe Krise. Es folgten Jahre mit sehr wenigen Bildern, die früheren grellen Kontraste wichen weichen, harmonischeren Bildern mit sanfter Lichtführung. Biblische Motive dominierten seinen Output.
Generell erlebte Rembrandt eine Zeit des Umbruchs: Nicht mehr die Erde sollte Zentrum der Welt sein (Kopernikus, Kepler, Galilei), auch die Infinitesimalrechnung (Descartes, Leibniz, Newton) wurde entwickelt und Begriffe wie Atom und Element fanden Einzug in die Chemie (Joachim Jungius). Es folgte eine Phase, in der Rembrandt sich auf Landschaftsmalerei spezialisierte, diese aber in einem tiefen symbolischen Sinn einsetzte. Neben seinen künstlerischen Erfolgen hatte Rembrandt aber auch seine Schattenseiten: Neben der Affäre mit dem Kindermädchen Gertie Dircx (die sich später vor Gericht mit Rembrandt duellierte) gab er zu viel Geld für Kunst und Malerei aus, anstatt seine Schulden vom Hauskauf zu tilgen und vergriff sich am Erbteil seines Sohnes Titus. Dies führte Mitte der Fünfzigerjahre zu seinemkompletten Bankrott infolgedessen er Haus und Kunstsammlung verkaufen musste.

Der Einzug von Haushälterin Hendrickje Stoffels bringt Rembrandt wieder näher zur Kunst und 1660 gelingt ihm mit einem Portrait von ihr das erste “intime Frauenbildnis”. Künstlerisch legt sich jedoch sein Blick immer mehr ins Innere, was auch an vielen schonungslosen Selbstportraits zu sehen ist. Rembrandt wurde zum Seelenmaler. In seinen letzten Lebensjahren - immer noch in prekärer finanzieller Situation - malte er mehrere Portraits alter Männer und viele Selbstportraits.

Wer Rembrandt und seine Werke verstehen möchte, muss sich mit dem Menschen Rembrandt beschäftigen. Ein einfühlsames, kundig geschriebenes und wunderschön bebildertes Buch hilft beim Verständnis des Menschen Rembrandt und seiner Entwicklung in Malerei.

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