Talkingpoints oder die Sprache der Macht: Mit welchen Tricks Politiker die öffentliche Meinung steuern.

von Dushan Wegner
Rezension von Elisabeth Binder | 21. November 2015

Talkingpoints oder die Sprache der Macht: Mit welchen Tricks Politiker die öffentliche Meinung steuern.

Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick stellt in seinen Axiomen der Kommunikationstheorie fest: man kann nicht kommunizieren. Das gilt für PolitikerInnen in den sozial vernetzten Mediendemokratien umso mehr. Da wird jede Geste sofort und gnadenlos unter die Lupe genommen. Wie man verhindert, dass hier keine allzu großen Unfälle für die politische Karriere passieren, versucht Dushan Wegner in seinem Buch über "Talking Points" zu erklären.

Das Buch führt insgesamt 23 Effekte auf, die mit 13 Exkursen aufgelockert werden. Alle Kapitel, die sich mit den Effekten beschäftigen, sind nach demselben Muster strukturiert. Im Abschnitt "Regel" wird kurz erklärt, warum der beschriebene Effekt meinungspolitisch wirksam ist. An dieser Stelle spricht Wegner ein undefiniertes "wir" an. Wer damit gemeint sein soll, ist unklar: spricht er hier von sich selbst im pluralis majestatis oder versucht er sich bei seine LeserInnen anzubiedern? Anbiedern deshalb, weil in den meisten Fällen die Regeln so formuliert sind, dass die PolitikerInnen und ihre Talking Points Flüsterer als (bauern)schlau und das "wir" als anfällig für jegliche Art von sprachliche Tricks hingestellt wird - auch wider besseres Wissen.


Weiter geht es dann mit konkreten Beispielen zum jeweiligen Effekt, die oft über sehr verschlungene Wege zum eigentlichen Kern gelangen. So mäandert die Geschichte des Effekts "Güte" vom Venedig im Jahr 1526 über den Büchsenmacher Beretta zum Attentat auf Mahatma Ghandi. Der war schließlich der erste Politiker, der die Güte als politisches Instrument konsequent einsetzte. Gleichzeitig wird man auch noch aufgeklärt, dass Ghandi kein Heiliger war. In den "Beispielen" kann Wegner seine gesammelte Bildungsrestmenge, seine praktischen Erfahrungen und vor allem auch seine Weltanschauungen und Ressentiments auspacken. Auch wenn es oft nur marginal zum Thema passt, hier findet alles seinen Platz.

Auf die Beispiele folgt ein Abschnitt über die Funktionsweise des jeweiligen Effekts. An dieser Stelle werden LeserInnen mit allerlei Theorien konfrontiert, die in den meisten Fällen nur wenig mit abgesicherter und aktueller Wissenschaft zu tun haben, sondern viel mehr mit populärer Biologie, Psychologie und Anthropologie aus dem Selbsthilferegal. Hin und wieder spricht Wegner diese Quellen auch offenherzig an: "Tausende Verkaufstrainer und Neuromaketer in Deutschland zahlen Leasingraten, in dem sie Menschen vom Primat der 'tierischen' Teile des Gehirns über das menschliche Denkhandeln her erklären." (S. 146) Ist es da eine Überraschung, dass das Kapitel zum Effekt "Vereinfachung" am längsten ausfällt?

Der letzte Abschnitt enthält "Warnungen" für potentielle AnwenderInnen der sprachlichen Effekte. Hier werden die LeserInnen direkt vom Autor angesprochen. Da können sich also (Macht)PolitikerInnen in spe ihre Tipps abholen. Unter Umständen handelt es sich dabei wirklich um zweckdienliche Hinweise, für die Parteien ein Vielfaches mehr an Geld für Coaching ausgeben.

Die Exkurse sind eher zufällig durch das Buch verstreut und dienen hauptsächlich dem Zweck, die essayistische Restmenge aus Wegners literarischem Nähkästchen nicht verkommen zu lassen.

Leider ist von der Rückkoppelung "mit der wissenschaftlichen Forschung zur politischen Sprache" (S. 11), die Wegner im Vorwort erwähnt, im Buch nur wenig zu spüren. Unter den 247 Fußnoten befinden sich nur vereinzelt wissenschaftliche Studien, die meisten Quellen referenzieren Zeitungsartikel, die Bibel und Wikipedia. In diesem Sinn ist Wegner zumindest konsequent: er schreibt über Talking Points in Form von Talking Points. Seine Argumente mögen sich zwar über mehrere Seiten hinziehen, lassen sich aber von Erklärungsgehalt und -tiefe aber auf die Länge eines Talking Points reduzieren. Offensichtlich färbt da seine jahrelange Berufspraxis als Poltikberater zu sehr ab. PolitikerInnen brauchen sich jetzt also nicht zu fürchten, dass sie von den nunmehr aufgeklärten BürgerInnen abgewählt werden, bloß weil sie Talking Points einsetzen. Nur keine Panik, Herr Wegner hat sich mit diesem Buch ganz sicher nicht arbeitslos gemacht.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    09/2015
  • Umfang:
    240 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783864890956
  • Preis (D):
    16,99 €

Bewertung

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