NSA


Nationales Sicherheits-Amt
von Andreas Eschbach
Rezension von Stefan Cernohuby | 02. Oktober 2018

NSA

Es gibt unglaublich viele Romane, die sich mit alternativen Realitäten beschäftigen. Eben Werken, in denen ein bestimmtes Ereignis früher oder eben nicht eingetreten ist. Die Auswirkungen dieser Veränderungen führen zu einer ganz anderen Zeitlinie. Andreas Eschbach hat einen Roman geschrieben, der sich zwar vordergründig den 1930ern und 1940ern alternativ annähert, in Wahrheit jedoch noch mehr Hintergrund besitzt.

Aus der Differenzmaschine ist die analytische Maschine hervorgegangen und schon kurze Zeit darauf sind Komputer weit verbreitet. Auch im Deutschland der 1930er, wo gerade eine Partei dabei ist, langsam aber sicher die Macht zu übernehmen. Zwei Personen sind es hier, die im Zentrum stehen und beide in dem noch aus dem Kaiserreich stammenden Nationalen Sicherheits-Amt arbeiten. Eugen Lettke ist optisch ein Vorzeigedeutscher. Und doch trägt er schwer an den Demütigungen, die er in seiner Kindheit erlitten hat. Die Technologie und die Datenerfassung, die das Amt bietet, ermöglichen ihm daraufhin lange gehegte Rachegefühle zu befriedigen. Mit etwas Hilfe.
Helene Bodenkamp ist nicht unbedingt das, was ihre Mutter von ihr erwartet. Nach dem Tod ihres Bruders in Polen hat sie kein Interesse daran, einen Mann zu finden und Kinder zur Welt zu bringen. Im Gegenteil, dank ihres Onkels interessiert sie sich für Komputer-Programmierung und Technologie. Nachdem sie bei einem Programmierwettbewerb gut abgeschnitten hat, wird sie vom Nationalen Sicherheits-Amt eingestellt. Eine Aufgabe, bei der sie erst langsam begreift, welche Macht sie besitzt. Sie hat nicht nur Zugriff auf jegliche elektrische Post aller Deutschen sondern auch auf deren Votels – die Volkstelefone. Man weiß immer, wann wo jeder gewesen ist, mit wem er gesprochen hat und auch, was er sich notiert hat. Als sich Eugen Lettke an sie wendet, um das „unmännliche“ Programmieren zu erlernen, ahnt sie noch nicht, dass sie auf diese Art und Weise auf ein größeres Geheimnis stoßen soll, als ihre bisherigen Datendiebstähle aus den USA...

Ja, Andreas Eschbach stellt in seinem aktuellen Roman eine alternative Zeitlinie, einen alternativen Verlauf der Geschichte dar, und auch verschiedene Personen aus der Geschichte erleiden ein anderes Schicksal. Doch tatsächlich ist es die Gegenwart, die er uns als Spiegel vorhält. Jegliche Technologie, die hier auf das dritte Reich gemünzt wird, gibt es heute. Wir haben viele der erwähnten Geräte sogar in unseren Wohnzimmern und lassen uns freiwillig ausspionieren. Etwas, das den Charakteren im Roman nicht bewusst ist. Etwas gekünstelt wirkt jedoch das Einbinden zahlreicher historischer Persönlichkeiten im Widerstand und von historischer Relevanz. Anne Frank, die Geschwister Scholl - nicht alles passt perfekt in die Geschichte. Ein weiterer möglicher Kritikpunkt könnte sein, dass der Autor das Szenario offenbar unbedingt bis zum Ende plotten und durchziehen wollte. Das führt zu gewissen Längen in dem beinahe 800 Seiten starken Roman, von denen man möglicherweise einiges hätte verschlanken können. Das hätte aber fast unweigerlich zu einem anderen Ende geführt als jenem, das „NSA“ letztendlich besitzt. Man kann das Buch unterschiedlich interpretieren. Als Unterhaltung, als die Darstellung einer alternativen Realität und auch als Warnung. Vielleicht ist es ein wenig von all dem. Das müssen die Leser selbst entscheiden.

„NSA“ oder auch „Nationales Sicherheits-Amt“ von Andreas Eschbach ist ein Roman mit mehreren Ebenen. Zum einen ist es Werk, das eine alternative Realität darstellt und bis zum Ende durchexerziert. Zum anderen ist es ein Roman, der über aktuelle technische und gesellschaftliche Entwicklungen zum Nachdenken anregen will. Auch wenn der Roman etwas zu lang geraten und an einigen Punkten etwas über das Ziel hinausgeschossen ist, bleibt er dennoch empfehlenswert.

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Bewertung

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