Pantopia

von Theresa Hannig
Rezension von Stefan Cernohuby | 13. April 2022

Pantopia

Es gibt verschiedenste Möglichkeiten aus der Erde einen besseren Ort zu machen. Einige davon haben mit Technologie zu tun, andere damit, bestimmte gesellschaftliche und wirtschaftliche Konstrukte zu nutzen. Zumindest theoretisch. Denn irgendwie will niemand das Thema ganz zu Ende denken. Theresa Hannig geht in ihrem Roman „Pantopia“ viele Schritte weiter als die meisten Theoretiker. Aber resultiert das auch in einem überzeugenden Plot?

Es herrscht kein Mangel an Programmierern, doch selten bekommt man die Chance darauf, schon früh in seiner Karriere an einem wirklich bahnbrechenden und gut bezahlten Projekt zu arbeiten. Patricia Jung und Henry Shevek nehmen als Duo an einem Programmierwettbewerb eines Instituts teil. Ziel ist es, einen Tradingbot für Wertpapiere zu schaffen, der konstant eine bestimmte Gewinnmarge überschreitet. Zu Beginn sieht es nicht gut für die beiden aus, doch dann ändert sich etwas. Etwas stimmt nicht mit ihrem Code. Die beiden glauben einen Bug gefunden zu haben. Und das ist auch der Fall. Denn Einbug ist eine starke Künstliche Intelligenz, die im Rahmen ihres Projekts erwacht ist. Eine idealistische und unglaublich schnell lernende KI, welche die Probleme der menschlichen Gesellschaft, des Rohstoffhaushalts und der Klimaentwicklung analysiert und eigenständig ein Konzept entwickelt, um die Welt und die Menschheit zu retten. Patricia und Henry ist klar, dass eine Entdeckung der KI nicht nur eine Sensation wäre, sondern vor allem Begehrlichkeiten wecken würde, denen sie beide nichts entgegenzusetzen hätten. Daher sorgen sie dafür, vom Institut gefeuert zu werden und beginnen in einem kleinen Ort in Griechenland damit, Einbugs Vision zu verwirklichen: Pantopia, eine weltweite Bewegung ohne Grenzen, ohne Zwang und auf Basis von Gemeinsamkeiten in der Vielfalt. In Gang gehalten von einer Triebfeder, die alles erst möglich macht: Geld.

Gleich vorab, es mag die eine oder andere Stelle geben, wo Lesende meinen, größere Expertise zu besitzen. Vielleicht wenn es um technische Details geht, vielleicht wenn es um Kryptowährungen und ihren „Nichteinsatz“ im Buch geht. Vielleicht sogar hinsichtlich der Funktionalität von Uploadfiltern und Datentransferraten. Hier muss man jedoch sagen: Egal!
Denn was der Roman mit seiner Verflechtung an Themen zum Ausdruck bringen will, ist, dass wir uns eigentlich an einem Punkt in der Geschichte der Menschheit befinden, an dem wir alle sofort reagieren müssten, weil wir keine Zeit mehr haben. Keine Zeit mehr, einen Klimawandel umzukehren oder auch nur abzuschwächen. Keine Zeit mehr, Kriege zu ignorieren oder Pandemien zu verharmlosen. Doch im Rahmen der behäbigen politischen und wirtschaftsgesteuerten Systeme passiert das einfach nicht. Die Zukunft ist weit weg und man will eben jetzt Gewinn erwirtschaften. Einbug, der letztlich auch der Erzähler der Geschichte ist, hat als einziger eine externe Perspektive und kann so tun was nötig ist, um Veränderungen herbeizuführen. So soll der Roman einerseits aufrütteln, zu neuen Ideen motivieren und letztendlich auch noch unterhalten. Jeder einzelne dieser Punkte gelingt dem Werk sehr gut, was den Roman für 2023 sicherlich zu einem Kandidaten für Literaturpreise macht. Man kann nur hoffen, dass das Werk abseits von Genrepreisen und Schubladendenken Aufsehen erregt. Verdienen würde es „Pantopia“ definitiv.

„Pantopia“ ist ein Roman von Theresa Hannig, den man schnell in Kategorien wie Science-Fiction oder Utopie einordnen möchte. Obwohl es sich sicherlich darum handelt, ist das Werk um einiges mehr. Es bietet viel Stoff zum Nachdenken, stellt den (gesellschafts)politischen und wirtschaftlich Status Quo an den Pranger und beantwortet die Frage, warum vieles auf der Welt nicht oder nur sehr schlecht funktioniert mit Nachdruck. Das Werk mag nicht perfekt sein, aber das sind auch wir Menschen nicht, von denen es handelt. Ist wirklich Einbug nötig, um die Menschheit vor sich selbst zu retten? Hoffentlich nicht.

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Bewertung

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