Machtschattenspiele

von Ju Honisch
Rezension von Stefan Cernohuby | 26. Januar 2020

Machtschattenspiele

Nicht jede Autorin, die Romane mit vielen hundert Seiten schreibt, ist auch in der Lage sich kurz zu fassen. Wer Romane von Ju Honisch gelesen hat, weiß, dass diese kaum unter 600 Seiten bleiben. Manchmal sogar nur, weil das Werk auf zwei Bände aufgeteilt wurde. Doch Ju Honisch kann es auch in Kurz, das ist all ihren Fans bestens bekannt. Nun ist in der Edition Roter Drache ein neuer Kurzgeschichtenband von ihr erschienen, der den Titel „Machtschattenspiele“ trägt.

Wofür entscheidet man sich, wenn man einen Kurzurlaub in die Perfektion haben kann? Oder einen der ewig dauert? Und was wird der Preis dafür sein?
Was, wenn man ein Leben lang Liebe im Herzen trägt, der Beweis dafür aber die endgültige Trennung bedeutet?
Was, wenn man sich zwar immer am richtigen Ort befindet, denselben aber so gut wie nie in der gleichen Zeit sieht, wenn die eigenen Augen die Vergangenheit zeigen?
Was, wenn in einer (vielleicht gar nicht so fernen) Zukunft alle in Produktivitätskategorien eingeteilt werden?
Was, wenn man seine ehemaligen Freunde nach vielen Jahren wiedersieht, an einem Ort, den man längst hinter sich zurückgelassen hat und feststellt, dass es gute Gründe für einen Abschied gab?
Was, wenn man sich in einem Zug ohne Rückfahrticket befindet und sich dann entscheiden muss, ob man bleiben oder weiterreisen will?
Was, wenn man immer wieder vor die gleiche Entscheidung gestellt wird, aber aus den eigenen Fehlern nie lernt, weil man sich nicht daran erinnert?
Und wie würde ein sehr beliebtes Märchen in der Gegenwart aussehen, wenn nicht alles mit rechten Dingen zugeht?

21 Kurzgeschichten finden sich im vorliegenden Buch von Ju Honisch, das trotz Kurzgeschichten über 300 Seiten lang ist. Das ist nicht nur die Hälfte von 42, sondern eine ganze Menge an Kurzgeschichtenmaterial. An dieses als Kritiker heranzugehen, ist nicht ganz einfach. Die simplere Lösung ist in diesem Fall zu sagen, dass es drei oder vier Kurzgeschichten in diesem Band gibt, die wirklich konventionell sind. Nicht langweilig, nicht schlecht, aber Geschichten, wie sie viele gute Kurzgeschichtenautoren schreiben könnten. Der Rest der Geschichten ist dagegen brillant, herausragend und manche davon sogar schmerzhaft intensiv. Ju Honisch vermag es, den Leser in eine bestimmte Richtung zu dirigieren, eine Erwartungshaltung zu erzeugen und dann mit dem letzten Satz, den letzten drei Worten, alles um 180 Grad zu drehen. So, dass dem Leser einfach der Mund offenstehen bleibt, vor Verblüffung. Viele der Geschichten drehen sich um Tod, um das Altern, um Unsterblichkeit und Wahnsinn, um Verlockungen und Verheißungen. Ja, auch um Blut und Vampire. Aber die Themen sind vielseitig, sind in unterschiedlichen Zeiten angesiedelt, sie nehmen auf Geschichte und Technologie Bezug. Sie sind hier in einem Werk gesammelt, das man unbedingt lesen sollte, wenn man Ju Honisch, düstere Geschichten und einfach gute Kurzgeschichten mag.

„Nachtschattenspiele“ ist eine Sammlung von 21 Kurzgeschichten von Ju Honisch. Ein Band, der für Fans absolute Pflichtlektüre ist. Denn davon sind maximal drei durchschnittlich, alle anderen zählen zur absoluten Spitzenklasse unter den Kurgeschichten. Horror, Grusel, Philosophisches, Spannung und Überraschendes – all das erhält man in diesem Werk, das man eigentlich jedem Leser nur ans düstere Herz legen kann.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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