Joseph Maria Nechyba

Der Henker von Wien

von Gerhard Loibelsberger
Rezension von Gabriel Zupcan | 11. Januar 2016

Der Henker von Wien

Der dicke Oberinspector Joseph Nechyba muß leiden. Ein Wiener Genussmensch wie er, ist den Entbehrungen die im Ersten Weltkrieg herrschen, kaum gewachsen. Zusätzlich zum Ärgernis kein knusprig ausgebackenes Wiener Schnitzel zu bekommen kommt noch, dass diverse Personen im Umkreis des blühenden Schwarzmarktes mit Hilfe einer Henkersschlinge getötet werden. Von ständigen Hungergedanken abgelenkt, beginnt sich der Oberinspector durch die Ermittlungen zu granteln.

Der Wiener Autor Gerhard Loibelsberger entführt den Leser bereits zum fünften Mal in das kaiserlich-königliche Wien der Donaumonarchie. Diesmal schreiben wir das Jahr 1916 und der Erste Weltkrieg lässt auch das Hinterland die Auswirkungen der Kriegswirtschaft spüren. Bestimmte Lebensmittel sind Mangelware, Lebensmittelmarken werden ausgegeben. Dennoch ist es für betuchte Bürger einfacher zu überhöhten Preisen an nunmehrige Luxuswaren heranzukommen. Kriegsprofiteure schneiden am Schwarzmarkt ordentlich mit. Ein bislang unbekannter Verbrecher beginnt durch gezielte Morde und Einschüchterungen den Wiener Schwarzmarkt unter seine Kontrolle zu bringen, doch er hat die Rechnung ohne den ruppigen Polizeiagenten Nechyba (Tschechisch für: „fehlt nicht“ oder auch „kein Fehler“) gemacht, der mürrisch in die Ermittlungen stolpert. Einige Ereignisse des Romans basieren auf historischen Ereignissen, die der Autor recherchiert hat, und verleihen dem Geschehen eine authentische Note.

Loibelsberger versteht es perfekt, die Figur des Oberinspectors in Szene zu setzen. Man hat den schnauzbärtigen Berg von einem Mann förmlich vor Augen, wie er hochzufrieden vor seinem Schweinebraten sitzt oder schlecht gelaunt (da hungrig) Untergebene ankeift. Der eine oder andere Schmunzler entfährt einem da schon, dank der amüsanten Dialoge in die Nechyba verstrickt wird. Aufmerksame Freunde der Wiener Küche bekommen übrigens nebenbei das eine oder andere Altwiener-Küchenrezept serviert und beim Lesen herrscht sowieso permanent ein „Gusto“ auf etwas Herzhaftes. Man kann das Hungergefühl des beleibten Detektivs förmlich nachfühlen. Die Perspektive wechselt regelmäßig vom Oberinspector zu anderen Personen, darunter auch zu seinem Antagonisten, dem mysteriösen „Henker“. Dadurch erhält man einen detaillierten Einblick in die Handlung und wird nicht ständig von Nechybaschen Essensfantasien überrollt, es nimmt jedoch auch etwas die Spannung heraus, da man als erfahrener Krimileser recht bald erkennen kann, wer der „Henker“ eigentlich ist.

Der Roman vollzieht eine enge Gratwanderung zwischen ernstem Thriller mit sehr düsteren Untertönen und eher flapsig-schwarzhumorigen Wiener „Schmäh“ (Witz). Diese Eigenheit nennen viele österreichische Literaturprodukte ihr Eigen, hier ist das Ergebnis jedoch etwas durchwachsen. An vielen Stellen hätte es gut getan sich für eine Stimmung zu entscheiden. Man hat manchmal das Gefühl der Hofmarschall aus den Sissi-Filmen platzt in einen Jack the Ripper-Film hinein. Die Dialoge sind mit vielen Wiener Dialekt-Ausdrücken und Redewendungen durchsetzt, wie es auch sein sollte. Als Kundiger des Wienerischen hat man jedoch schnell das Gefühl den Gesprächsverlauf geradezu vorhersehen zu können. Einerseits ist das ein Kompliment an den Autor, der seine Pappenheimer perfekt kennt, aber es werden auch viele bekannte Wiener Klischees bedient und durchgekaut. Für Nicht-Wiener wurden freundlicherweise ein Glossar sowie zahlreiche Fußnoten eingebunden, so dass man manch skurrile Redewendung aus der Mundart verstehen kann.

Insgesamt können Nicht-Wiener Freunde des Wienerischen und der Wiener Art gerne einen Punkt bei der Gesamtwertung dazuaddieren. Für Wiener Leser bietet sich nicht allzu viel Überraschendes, wenn man auch sehr kurzweilig unterhalten wird.

Details

Bewertung

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