Der Wächter der Winde

von Oliver Plaschka
Rezension von Stefan Cernohuby | 17. Dezember 2019

Der Wächter der Winde

Es ist ein bewährtes Rezept, Klassiker der Literatur in die Gegenwart zu transportieren. Ob das nun in Buchform oder in anderen Medien passiert, ist dabei eher zweitrangig. Man hat Dickens Weihnachtsgeschichte sicherlich schon in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft platziert, Winnetou unter Werwölfen verfrachtet und ist in 80 Tagen bis ans Ende des Universums gereist. Warum also nicht Shakespeares „The Tempest“ („Der Sturm“) aufgreifen und in die Gegenwart holen? Oliver Plaschka hat genau das versucht.

Auf der Rückfahrt von einem Begräbnis geraten Antonia Perrault und ihr Chauffeur in einen Sturm, der ihr Auto beschädigt. Sie werden vom Vater der Verstorbenen mitgenommen, der gemeinsam mit seinem Sohn und seiner Chauffeurin unterwegs ist. Die Stimmung ist frostig, denn es gab lange Differenzen zwischen den Familien King und Perrault. Als sie weiter durch den Sturm unterwegs sind, landen sie plötzlich an einem seltsamen Ort. Doch auch der Aushilfs-Ranger Fernando und die Alkohol-Schmuggler Rince und Stephanie geraten in den Realitätssturm, der sich über verschiedene Zeiten erstreckt. So stammt Fernando aus dem Jahr 1849 und das Duo aus der Zeit Al Capones. Sie alle landen im Reich von Ross Perrault. Einem Ort, an dem er und seine Tochter leben – und offenbar existieren dort auch Geister. Und Ross frohlockt, denn es scheint so als würden all jene, die sich einst gegen ihn verschworen haben, nun zu ihm kommen. Seine Ex-Frau, die seine Firma an seinen schlimmsten Konkurrenten verkauft hat, mitsamt dem Konkurrenten und ehemaligen Freund selbst. Doch was hat es mit all jenen Geistern auf sich und wer ist der Junge Caliban, der in einem einsamen Haus lebt, inmitten der kleinen und beinahe hermetisch abgeschlossenen „Welt unter dem Winde“?

Die Geschichte beginnt noch relativ strukturiert. Man lernt die verschiedenen Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Zeiten kennen. Man lernt sie dabei nicht unbedingt zu mögen, aber nicht alle Charaktere eines Romans sind dafür ausgelegt, Sympathie zu wecken. Doch irgendwo zerfasert das Handlungskonstrukt. Dann, wenn der geheimnisvolle Mastermind Ross nicht mehr agiert. Wenn ein Schmugglerpärchen von einem Jungen angeheuert wird, den Herrn eine Welt zu töten. Wenn sich ein Vogel im Goldenen Käfig plötzlich in eine Freiheit aus einer anderen Zeit verliebt. Verwandtschaftsverhältnisse, Rache und wechselnde Erzählstränge bringen den Leser aus dem Konzept. Man springt in die Vergangenheit, versteht Motivationen, begreift dann aber nicht sofort, was Realität ist, was den Eigenheiten von Ross‘ Welt und was einfach nur den Köpfen der Charaktere entspringt. Letztendlich ist das Werk zwar eine Hommage an Shakespeares „Der Sturm“, die mit Erinnerungen und Schuldgefühlen jongliert, doch die Gaiman’schen Traditionen, die man im Klappentext beschwört, sind leider nicht wirklich erkennbar. Der Roman vermag leider nicht zu fesseln und ist für Kenner anderer Werke von Plaschka wie „Die Magier von Montparnasse“ oder „Marco Polo – bis ans Ende der Welt“ möglicherweise eine Enttäuschung.

„Der Wächter der Winde“ ist ein Fantasyroman von Oliver Plaschka, der sich an Shakespeares „Der Sturm“ anlehnt. Doch die Winde, die verschiedene Zeiten durchqueren und auch die Charaktere zusammenführen, vermögen es leider nicht, den Leser mitzureißen. Ab der Hälfte des Werks zerfasert der Handlung zusehends und schafft es leider nicht mehr, den Leser mit den einzelnen Erzählsträngen zu fesseln. Schade, denn Oliver Plaschka hat schon mehrfach bewiesen, dass er bessere Romane schreiben kann.

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