Raumhafen Adamant

Raumhafen Adamant

von André Wiesler
Rezension von Stefan Cernohuby | 20. September 2010

Raumhafen Adamant

Meist ist man sich darüber einig, dass wir Menschen im Weltall nicht die einzig vernunftbegabte Spezies sein können. Doch über das Thema, wie eine Koexistenz mit außerirdischen Rassen funktionieren könnte, kann man nur spekulieren. Spekulation die bereits zu vielen Romanen, Filmen und auch Rollenspielen geführt hat. Auch der deutsche Autor André Wiesler hat sich der Thematik angenommen und ein Action-Rollenspiel erschaffen, das sich um eine bunte Zukunft dreht, in der vor allem die Langeweile keinen Platz hat: Raumhafen Adamant.

Wie beginnt man ein selbsttituliertes Action-Rollenspiel am Besten? Richtig, mit einer Kurzgeschichte, die einen kurzen Einblick in das gibt, was einen erwarten könnte. In diesem Fall trägt das Werk den Titel "Festgenagelt" und bietet kaum Raum fürs Luftholen. Daraufhin erläutert eine Einleitung die Absicht hinter dem Rollenspiel kurz und bündig. Spannende, augenzwinkernde und actionreiche Unterhaltung, ohne zu viel technischen Hintergrund.
Nun geht es gleich auch in die Materie, um grundlegende Dinge zu klären. Wie funktioniert interstellarer Raumflug? Einfach und schnell - selbst der längstmögliche Flug zum am weitest entfernten bekannten Sternensystem dauert weniger als vier Tage. Wer regiert im Universum, was ist der Planet Adamant und wer sind die wichtigen Personen auf dem gleichnamigen Raumhafen? Auch darauf gibt es kurze und bündige Antworten. Geographie und Geologie werden dabei ebenso behandelt, wie die demographischen Fakten. Organisationen und interessante Orte sind ebenfalls Teil dieses ersten Abschnitts, lassen dem Spielleiter aber viel Interpretationsspielraum.
Dann geht es mit den unterschiedlichen Spezies einmal richtig zur Sache. Hier hat man der Phantasie freien Lauf gelassen. So gut wie keine der Rassen kann man sofort mit bereits existierenden aus anderen Universen gleichsetzen, abgesehen von den Menschen. Ob man nun die wechselgeschlechtlichen, borstigen und antiphilosophischen Hakhasu für diesen Vergleich heranzieht, die Roboter hassenden, sechsäugigen und sechsbeinigen Luolmar oder die schneckenartigen (und potenziell) parasitären Saht, alle Rassen sind einzigartig. Natürlich sind alle ebenso kontrovers genug, um miteinander Probleme zu bekommen, aber trotzdem in relativ friedlicher Koexistenz zu leben.
Dann geht es zu den Regeln. Auch diese sind verhältnismäßig einfach gehalten. Es gibt wie so in den meisten Rollenspielen körperliche Attribute und davon abgeleitete Fertigkeiten. Interessant ist allerdings, dass es bei "Raumhafen Adamant" Fähigkeitswerte von 1 bis 5 gibt, darüber hinaus kann man mit drei möglichen Erweiterungsstufen automatische Erfolge einkaufen. Hier sollte natürlich erwähnt werden, dass dies nicht für alle Attribute und schon gar nicht für Angehörige jeder Rasse in jedem Attribut möglich ist. Den Würfelpool für einen Wurf stellen Attributswürfel plus Fertigkeitswürfel dar, ein Pasch ist ein Erfolg. Einserpaschs verringern das Erfolgserlebnis. Eine große Rolle für das Spiel stellen auch Psi-Kräfte dar, von denen es die verschiedensten zur Auswahl gibt.
Um spannendes und stilechtes Spiel zu honorieren, gibt es sowohl einen "Actionpunkt", der es einem Spieler erlaubt, Proben zu wiederholen oder die Erfolge bei einem Wurf zu verdoppeln. Der Punkt wandert nach Gebrauch immer zu dem Spieler mit der höchsten "Coolness". Es empfiehlt sich also, so cool wie möglich zu sein.
Nach einigen Tipps an den Spielleiter geht es weiter mit der Darstellung typischer Gegner sowie bekannten und gefährlichen Kreaturen.
Danach wird die Grundausrüstung der Spieler behandelt. Von Kommunikationsausrüstung über Waffen, Panzerung bis hin zu Raumschiffen, findet man einige Möglichkeiten.
Ein Abenteuer, das sich in diesem Fall ein wenig an "Titanic" und dem "Traumschiff" orientiert ist ebenso zu finden, wie zahlreiche weitere Abenteuerideen und natürlich auch Charakterblätter.

Das Regelwerk von "Raumhafen Adamant" ist gerade einmal 128 Seiten lang und in einem für Rollenspielwerke eher ungewöhnlichen A5-Überformat gehalten, zudem kein Hardcover. Letzteres schlägt sich aber sehr positiv auf den Preis nieder, denn um weniger als 20 Euro ist normalerweise kein Rollenspielgrundregelwerk erhältlich. Ein erster Blick verrät dem erfahrenen Spielleiter nicht nur, dass André Wiesler für den Inhalt des Buchs verantwortlich ist, sondern offenbart auch sofort den Layouter. Denn die markante Aufmachung von David Grashoff ist einem von "Funky Colts" ein Begriff. Und in einer ähnlichen Tradition ist auch "Raumhafen Adamant" gehalten. Denn hier geht es nicht darum, cthuloiden Schrecken nachzujagen oder schwarze Drachen zu erschlagen und viele Stufen aufzusteigen. Der Fokus liegt eindeutig auf cineastischem Rollenspiel. Die Charaktere sind Helden und handelsübliche Gegner fallen in die gleiche Kategorie wie Sturmtruppen in Star Wars: Kanonenfutter.
Richtige Mühe bereiten nur die vom Spielleiter ausgearbeiteten Bösewichte, von denen es eine Menge geben kann. Denn auch organisiertes Verbrechen wird in der Welt des Rollenspiels geduldet - solange die notwendigen Beiträge entrichtet werden. Spannenden und vor allem kurzweiligen Abenteuern in äußerst bunten Farben steht daher nichts mehr im Weg. Auch wenn das Spiel eher für One-Shots als für lange Kampagnen geeignet ist, wird hier eine Menge Spaß geboten, gesetzt den Fall man hat den richtigen Spielleiter und die richtigen Spieler. Nur jene Exemplare, die lieber eine ewig lange Liste an Ausrüstungsgegenständen und Fähigkeiten bevorzugen, könnten hier ein wenig fehl am Platz sein.

"Raumhafen Adamant" ist ein unterhaltsames Rollenspiel von André Wiesler, das sich selbst nicht ganz so ernst nimmt. Auch das lockere Layout von David Grashoff spiegelt dies wider. Abgesehen davon kann man hier in einer fernen Zukunft viel Spaß erleben, wenn man sich auf eine bunte Alienmischung einlassen will, gegen die "Raumschiff Enterprise" geradezu schwarz-weiß wirkt. Zudem ist das Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu anderen Rollenspielen für das Grundregelwerk mehr als überzeugend. Wer allerdings nach seitenlangen Tabellen mit Ausrüstungsgegenständen und Spezialfertigkeiten sucht, ist hier an der falschen Adresse.

Details

Bewertung

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