Sie war die Vorzeigemutter des Dritten Reichs, Magda Goebbels. Wer war diese Frau, die mit einem der einflussreichsten Politiker und engsten Vertrauten Hitlers verheiratet war? Die eiskalt ihre Kinder ermordete? Nora Bossong nähert sich in ihrem historischen Roman dieser Frau und ihrer Geschichte an.
Vom Ende der Demokratie und dem Aufstieg des Nationalsozialismus‘
Magda Goebbels nimmt aber nicht die Hauptrolle in diesem Werk ein. Diese übernimmt der fiktive Ich-Erzähler Hans Kesselbach, der sich während seiner Schulzeit mit Hellmut Quandt anfreundet, dem Sohn des Industriellen Günther Quandts. Nachdem dessen Frau an der Spanischen Grippe verstirbt, heiratetet er erneut. Die junge Magda bringt Licht in das Haus, doch Hans hat nur Augen für Hellmuth und verliebt sich hoffnungslos in ihn. Die Weimarer Republik zerbricht, die Nationalsozialisten steigen auf und Hans muss seine Homosexualität verbergen. Er bewegt sich vorsichtig, achtet stets darauf, sein Liebesleben zu verklausulieren, so dass man nicht zweifelsfrei sagen könnte, ob er homosexuell sei. Ein tragisches Unglück führt ihn näher mit Magda zusammen und sie beginnen eine Affäre. Magda will aus ihrer Ehe ausbrechen, was ihr schließlich auch gelingt. Während Hans‘ Leben zunehmend in Gefahr gerät, lernt Magda Joseph Goebbels kennen, wird seine Frau und schließlich zur Mutter der Nation.
Versuch der Annäherung
Der Rest ist Geschichte. Das Ende des Nationalsozialismus, die Ermordung der Goebbels Kinder und schließlich auch der Suizid des Ehepaars. Nora Bossong setzt bestimmtes Geschichtswissen voraus und erzählt vieles in einem zusammenfassenden Ton. Das passt auch, lenkt den Fokus auf das Leben des Protagonisten. Historische Ereignisse werden zum Gerüst, zur Stütze des Romans, der Martha Goebbels beleuchten soll, die aber dennoch nur eine Randfigur bleibt. Sie tritt in Erscheinung, verschwindet und gibt damit wieder Hans die Bühne zurück, nur um dann für eine kurze Weile zurückzukommen. Ihr Leben, ihr Werdegang ist hier nur angerissen. Sachlich beschrieben, ohne zu werten, ohne ihr ein Profil zuzuweisen. Die Autorin orientiert sich an dem vorhandenen Wissen und unterlässt es, Martha Goebbels einen Charakter zu geben. Damit bleibt man als Lesende, als Hörende auf Distanz zu ihr, empfindet weder Sympathie noch Abneigung. Wenngleich Martha Goebbels Lebensweg umrissen wird, bleibt sie eine historische Figur, die man kritisch betrachtet und die man nicht greifen kann.
„Reichskanzlerplatz“ ist ein historischer Roman, der uns näher an die Figur der Martha Goebbels heranführen will, aber dennoch eine gewisse Distanz wahrt. Stattdessen lernen wir einen fiktiven Charakter aus dem Volk kennen, der aufgrund seiner Homosexualität und Nähe zu Magda Goebbels einen eigenen, steinigen Weg durch den Nationalsozialismus geht, geprägt von Verfolgung, Verstecken, Angst und Terrorherrschaft.
Spannend, fesselnd und ein Stück Zeitzeugnis.
Details
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Erschienen:08/2024
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Umfang:296 Seiten
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Typ:Hardcover
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ISBN 13:9783518431900
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Preis (D):25,00 €