Winnetou unter Werwölfen

von Peter Thannisch
Rezension von Stefan Cernohuby | 17. November 2010

Winnetou unter Werwölfen

Was hatten Indianer und Werwölfe im 19. Jahrhundert gemeinsam? Beide waren ziemlich unbeliebt. Moment, waren Werwölfe wirklich präsent? Geschichtliche Überlieferungen sprechen kaum von ihnen. Doch wenn es nach Peter Thannisch geht, ist das sehr wohl der Fall. Er hat sich nämlich dem klassischem Stoff von Karl May angenommen und daraus ein neues, etwas anderes Werk erschaffen. Sein Titel lautet "Winnetou unter Werwölfen" und stellt das Westerngenre ziemlich auf den Kopf.

Der Mayer Karl, Mayer mit a y, ist vieles, aber eines ganz bestimmt nicht: Eine Lusche. Das wird schon ganz zu Beginn des Romans festgestellt. Eine Lusche ist seiner Ansicht nach jemand, der im Ernstfall kneift. Aber das ist er ganz bestimmt nicht, schließlich ist er ein wackerer und tapferer Deutscher. So kann ihn auch der Wilde Westen nicht so richtig beeindrucken, auch wenn er zu Beginn natürlich noch kein richtiger Westmann ist. Dafür fehlt ihm die Erfahrung. Doch mit Hilfe von Howlin´ Sam Howlins macht er schnell Fortschritte. Seine gute deutsche Schulbildung erlaubt ihm, ohne Vorkenntnisse den Beruf eines Landvermessers zu ergreifen, um mit einem Treck zu reisen, der eine Bahnlinie bauen will. Und da er Deutscher ist, arbeitet er natürlich auch dreimal so effizient wie seine betrunkenen Kollegen. Wie das Schicksal es so will soll die Bahnlinie durch die Gebiete der Apachen und Kiowas gebaut werden, bei denen es sich bekanntlich um Werwölfe handelt. Nach der ersten Konfrontation mit Vampiren, bei dem er den ungemütlichen Zeitgenossen einfach K.O. schlägt, erhält er den Kriegsnamen "Old Silberhand". Und seine Faust, seine unglaubliche Treffsicherheit und sein unerschütterlicher Mut werden auch gebraucht, als sie mit Kiowas und Apachen aneinander geraten. Denn da gibt es nicht nur einen jungen Apachen-Häuptlingssohn mit schrecklichem französischem Akzent, sondern auch dessen senilen Vater und seine wollüstige Schwester. Doch auch der Kiowa-Häuptling, der gebrochenes Englisch spricht, macht einige Probleme.

Ob Karl May mit der Neuinterpretation der Ereignisse im ersten Teil seiner "Winnetou"-Bände zufrieden wäre, ist eine Frage, die wohl nie beantwortet werden kann. Fakt ist, dass Peter Thannisch sich nicht darauf beschränkt, den Stoff neu zu verwenden, er zieht den Mayer Karl, pardon, Karl May auch ziemlich durch den Kakao. Betrachtet man die Vorlage, gibt es dafür aber auch genügend Ansatzpunkte. So war "Old Shatterhand" tatsächlich ebenso ein völlig überlegener und in allem perfekter Charakter wie es auch der Protagonist in "Winnetou unter Werwölfen" ist. Nur dass hier kein einziger Nebendarsteller ernst zu nehmen ist. Jeder stellt einen anderen Aspekt des großen humorigen Ganzen dar, welches das Buch insgesamt bildet. Berücksichtigt man diesen Kernbaustein und kann damit leben, dass ein Meilenstein der deutschen Literaturgeschichte gnadenlos in seine Bestandteile zerlegt wird, gewisse Details extrahiert und durch andere Inhalte ersetzt werden. So erhält man einen amüsanten, jedoch nicht ernst zu nehmenden Roman mit phantastischen Inhalten. Wem dieses Genre zusagt, der kann ohne Bedenken zugreifen.

"Winnetou unter Werwölfen" ist ein Roman von Peter Thannisch, der sich der Geschichte von Karl May bekanntestem Romanzyklus auf humoristische Weise annimmt. Das Ergebnis, eine wilde Mischung aus Realität und überzeichneter Phantasie, ist Geschmackssache. Wer sich nicht daran stört, dass Karl May parodiert wird, kann hiermit einige unterhaltsame Stunden erleben. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist völlig in Ordnung.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    09/2010
  • Umfang:
    432 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3492267726
  • ISBN 13:
    9783492267724
  • Preis (D):
    9,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
    Keine Bewertung
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik: