Öland

von Johan Theorin
Rezension von Janett Cernohuby | 09. Mai 2009

Öland

Verschwindet ein Kind spurlos, ist dies besonders für die Eltern eine traumatische Zeit. Sie leben zwischen Hoffen und Bangen. Ist ihr geliebtes Kind noch am Leben, wird es misshandelt oder ist es einfach nur davongelaufen? Die stille Hoffnung, ihr Kind lebendig wieder zu sehen, können Eltern auch noch nach zwanzig Jahren haben, selbst wenn es einfach aussichtslos erscheint. Von einer ähnlichen Situation erzählt auch Johan Therorins Kriminalroman "Öland".

Zwanzig Jahre ist es mittlerweile her, dass an einem nebligen Septembertag der kleine Jens auf der schwedischen Insel Öland spurlos verschwand. Doch noch immer hat seine Mutter das tragische Ereignis nicht verarbeiten können. Mit Schlaftabletten und Rotwein versucht sich noch immer Nacht für Nacht das Geschehene zu vergessen. Da erhält sie eines Abends einen unerwarteten Anruf. Ihr Vater, der mittlerweile in einem Altenheim auf Öland lebt, erhielt per Post eine Sandale, die einst seinem Enkel gehörte. Er bittet seine Tochter zurückzukommen und gemeinsam neuen Spuren nachzugehen. Nach langem Zögern kommt sie der Bitte ihres Vaters nach. Doch dieser scheint eher wilde Gerüchte als ernstzunehmende Beweise für seine Tochter bereitzuhalten. Er erzählt ihr von einem einstigen Bewohner der Insel, der bereits in seiner Kindheit durch Gewalttaten auf sich aufmerksam machte. Als er nach Kriegsende 1945 zwei deutsche Soldaten erschoss, floh er schließlich aus Schweden. Viele Jahre wurde seine Leiche nach Öland zurückgebracht. Er war ertrunken, hieß es. Doch einige Inselbewohner glauben das nicht, darunter auch der Großvater des verschwundenen kleinen Jungen. Für ihn ist Nils Kant noch immer am Leben und er war es auch, der vor zwanzig Jahren seinen Enkel entführte und tötete. Auch wenn er seine Tochter von dieser Geschichte nicht richtig überzeugen kann, schöpft sie nie neuen Mut und hofft, endlich ihre Frage nach dem Geschehen an jenem Septembertag beantwortet zu bekommen.

"Eine feine Mischung aus Krimi und Gespensterroman, zum Gruseln gut" steht es in großen Lettern auf der Rückseite des Buches. Ein Satz, der die Aufmerksamkeit und das Interesse des Lesers wecken sollte, aber auch ein Satz, der irritierender nicht sein kann. Denn gruslig sind weder die Handlung, noch die Vermutungen über den Inselverbrecher Nils Kant. Denn der Mythos über sein Schicksal ist keineswegs ein Geheimnis oder auch nur ansatzweise unheimlich. Vielmehr glaubt die Hälfte der Inselbewohner, Nils Kant sei tot, während die andere behauptet, in seinem Grab liegt gar keine Leiche. Die Wahrheit bewegt sich letzten Endes irgendwo dazwischen, aber auch hier ohne den Hauch einer grusligen Atmosphäre.
Trotzdem ist das Buch keineswegs langweilig oder weniger empfehlenswert. Tatsächlich liegt mit "Öland" ein solider skandinavischer Krimi vor, der seine Anhänger zu unterhalten versteht. Der Autor zeichnet hier das erschütternde Bild einer Mutter, deren Kind vor nunmehr zwanzig Jahren spurlos verschwand. Polizei und Suchtrupps fanden nie eine Spur des Jungen. Auch die Vermutungen, er sei ins Meer gestürzt und ertrunken, konnten nie belegt werden. So begegnet der Leser anfangs einer Frau, die jeglichen Lebensmut verloren hat und sich nur noch mit Medikamenten von einem Stimmungstief zum nächsten zieht. Neuen Lebensmut schöpft sie jedoch, als eine Sandale ihres Sohnes auftaucht. Ohne es zu merken, verändert sich die Protagonistin, kämpft nun für die Aufklärung jenes Verbrechens. Denn obwohl sie spürt, dass ihr Sohn tot ist, möchte sie dennoch seine Leiche finden, um ihre Ungewissheit endlich bestätigt zu finden. Jene Verzweiflung und Hoffnung bringt der Autor seinen Leser sehr gut rüber und zeichnet hier das Bild einer erschütternden Familientragödie.
Gleichzeitig baut Johan Theorin eine Parallelhandlung ein, die anfangs nur wenig mit dem Verschwinden des Jungens zu tun hat. Er erzählt aus dem Leben Nils Kants, eines Mannes, der schon während seiner Kindheit den ersten Mord auf dem Gewissen hat. Immer wieder führt er den Leser Jahrzehnte zurück in der Geschichte und lässt ihn am Leben jenes Verbrechers teilhaben. So ist nicht nur für den Großvater des kleinen Jungen sehr bald klar, dass Nils Kant hinter dem Verschwinden stecken muss, sondern auch für den Leser. Doch letztendlich müssen beide Parteien erkennen, dass es dennoch ein klein wenig anders verlief, als sie bisher annahmen.

Somit ist "Öland" ein fesselnder und ergreifender Kriminalroman, der weniger durch eine schaurige Atmosphäre, als durch das tragische Verschwinden eines kleinen Jungen und der verzweifelten Suche seiner Mutter überzeugt. Es ist ein Roman, der düster und bedrückend beginnt und auch am Ende, trotzt aufgeklärtem Fall, keinen glücklichen Schluss bereithält. Fans schwedischer Krimis werden "Öland" mit großer Begeisterung lesen, weswegen das Buch ihnen durchaus empfohlen werden kann.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2009
  • Umfang:
    446 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783492253680
  • Preis (D):
    8,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:
    Keine Bewertung