Finderlohn
von Stephen King
Rezension von Stefan Cernohuby
| 31. Oktober 2015
In verschiedenen Ländern gibt es auch unterschiedliche Regelungen, wenn es um Fundstücke geht. Das gilt sowohl für Fundstücke auf eigenem Grund als auch auf öffentlichem. Doch was hierzulande in der Regel üblich ist, ist ein gewisser Finderlohn für Fundstücke von Wert vorgeschrieben. Im Fall des gleichnamigen Romans „Finderlohn“ von Stephen King wäre eine prozentuale Auszahlung des Werts allerdings ziemlich schwierig...
Die Geschichte beginnt im Jahr 1978 mit einem Raubüberfall, der auf den Bestsellerautor John Rothsteins verübt wird. Dabei ist es diesem völlig egal, dass sich jemand an seinem Bargeld vergeht. Als die Einbrecher jedoch auch seine Notizblöcke stehlen wollen, auf denen er all die Jahre seit seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit seine Werke niedergeschrieben hat, begehrt er auf – und wird erschossen. Der Hintermann ist tatsächlich nicht am Geld interessiert, sondern an den unveröffentlichten Werken des Autors. Er tötet kurzerhand auch seine Komplizen, versteckt Geld und Manuskripte in einem Koffer, vergräbt diese und spielt auf Zeit. Er will sie später über einen Freund an interessierte Kunstsammler verkaufen. Tatsächlich hat er jedoch einen Aussetzer, vergewaltigt in betrunkenem Zustand eine Frau und wandert somit für ein völlig anderes Verbrechen lebenslang im Gefängnis.
Im Jahr 2009 wird Tom Saunders in der Warteschlange eines Jobcenters von einem Mercedes angefahren und schwer verletzt. Durch die lange Genesungszeit und sein permanent geschädigtes Bein verliert er seinen Job und der Familie geht langsam aber sicher das Geld aus. Als sein Sohn Peter „Pete“ Saunders in höchster finanzieller Not der Familie einen vergrabenen Koffer im Wald findet, in dem sich etwa 20.000 Dollar und etliche Notizbücher befinden, wirkt dies wie eine Gabe des Himmels für ihn. Er lässt seiner Familie das Geld in anonymen Briefen zukommen und beschäftigt sich erst danach mit dem anderen Material. Er findet heraus, dass es sich um unveröffentlichte Werke eines Kultautors handelt. Diese will er nicht verkaufen, bis seine Schwester plötzlich Geld benötigt. Und dann passiert es. Einerseits wird Morris Bellamy, der Mörder Rothsteins, freigelassen. Andererseits wendet sich Pete beim Verkauf unglücklicherweise an den ehemaligen Freund und Komplizen Bellamys. Danach überschlagen sich die Ereignisse, alle Hoffnungen ruhen nun auf Bill Hodges, der von einer Freundin von Petes Schwester Tina hinzugezogen wurde. Kann der Detective a. d. nochmals einen gefährlichen Verbrecher aufhalten?
Ein einschneidendes Ereignis ist nicht nur der Beginn einer Geschichte, sondern der von vielen. Das illustriert Stephen King in „Finderlohn“, im Original „Finders Keepers“ schon zu Beginn recht deutlich. Denn wo die Geschichte von „Mr. Mercedes“ ihren Anfang genommen hat, beginnt auch ein Teil des aktuellen Romans. Ein Teil, ohne den die Handlung nie so stattgefunden hätte. Herausragend an diesem Werk sind die Charakterperspektiven. Stephen King schafft es überzeugend zwischen einem Teenager und einem Rentner hin und her zu springen und beide realistisch zu zeichnen. Der Aufbau des Spannungsbogens geht zwar langsam, aber stetig voran. So erreicht er am Ende eine ungeahnte Höhe und gipfelt in einer buchstäblich tödlichen Konfrontation.
Ist daher alles an diesem Ronan gut? Geschichte, Charaktere, die Mischung und die enthaltene Logik. Leider kann man hier nicht uneingeschränkt zustimmen. Denn einige Logiklücken in der Handlung machen einige Ereignisse am Ende des Buchs etwas fragwürdig. Dieses endet in der Gegenwart, einer Zeit in der Smartphones, Scanner und billige digitale Fotoapparate alltäglich sind und im übertragenen Sinn „kein Geld“ mehr kosten. Für unter 20 Euro kann man Geräte kaufen, mit denen man Seiten eines Buches so digitalisieren könnte, dass ihr Inhalt nicht mehr verloren gehen kann. Und das erste, was ein einigermaßen schlauer Mensch machen würde, dem ein millionenschwerer Literaturschatz in die Hände fällt, wäre sicherzustellen, dass diese Informationen nicht so einfach verloren gehen können. Und selbst wenn das Abfotografieren von Seiten etwas dauern würde, kann man pro Minute sicher mindestens 10 Seiten digitalisieren. Davon aber einmal abgesehen ist der Roman wie immer sehr gelungen, spannend und verschafft einem sogar ein Wiedersehen mit dem Protagonisten in aus „Mr. Mercedes“. Alle Fans von Stephen King können daher ohne Bedenken zugreifen.
„Finderlohn“ ist ein weiterer Roman von Stephen King, in dem er seine Vielseitigkeit beweist. Er zeichnet überzeugende Charaktere, egal ob Jugendliche oder Senioren. Auch der Spannungsbogen der Handlung wird konstant aufgebaut, bis zum großen Finale. Hätte der Autor nicht einige einfache technische Errungenschaften aus seiner Erzählung einfach ausgeklammert, wäre das Werk für uns herausragend. Aufgrund dieser einen Schwäche ist es allerdings immer noch sehr gut und Pflichtlektüre für alle Kenner und Fans.
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