Portraits

von Romney Müller-Westernhagen
Rezension von Michael Seirer | 19. Mai 2017

Portraits

Romney Müller-Westernhagen arbeitete viele Jahre als Model für Modelabels wie Versace oder Chanel und kennt die Situation, wie man sich vor der Kamera fühlt, gut. Diese Erfahrungen und ihr Interesse für außergewöhnliche Gesichter und Menschen führten später dazu, dass sie auf die Seite hinter der Kamera wechselte und einprägsame Portraits erstellte. Im Steidl Verlag erschien 2016 ein Buch mit dem schlichten Titel “Portraits”, das ihre Arbeiten aus den Jahren 2010 bis 2014 zeigt.

Aufgewachsen in New York, studierte Romney Müller-Westernhagen an der Parsons New School for Design Modeillustration und Grafikdesign. Nach dem Abschluss zog sie nach Europa, arbeitete als Illustratorin und später viele Jahre als Model. Von ihrem damaligen Ehemann bekam sie ihre erste Leica geschenkt. Seit Anfang der 2000er Jahre arbeitet sie als Fotografin. Ihre Erfahrungen in der inszenierten Modewelt und als Ehefrau von Marius Müller-Westernhagen ermöglichten ihr zu lernen, wie man hinter die Fassade eines Menschen blickt. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ihre Portraitarbeiten intensiver und direkter wirken als jene anderer Fotografen.

In einem kurzen und emotionalen Vorwort bedankt sich die Künstlerin bei den Portraitierten, weil diese ihr die Möglichkeit gaben, sich vor der Kamera ein kleines Stückweit privater als üblich ablichten zu lassen. Dies half ihr als Mensch und Künstlerin zu wachsen. Neben Danksagungen ist das auch der einzige Text in dem Buch.

Zwischen Aufnahmen von Persönlichkeiten wie Iris Berben, Boris Becker, Joschka Fischer, Otto Waalkes und Wladimir Klitschko finden sich auch viele unbekannte Gesichter. Diese sind aber um nichts weniger spannend oder uninteressanter. Sowohl von bekannten als auch unbekannten Menschen finden sich berührende, ruhige und direkte Portraits. Ein enger Ausschnitt um das Gesicht unterstützt und intensiviert den Eindruck bei vielen Abbildungen weiter. Es wechseln sich statische und klassische Portraits mit sympathisch und umgestellt wirkenden Momentaufnahmen ab, die technisch nicht perfekt sein müssen. Sie erlauben einen kurzen Blick hinter die Oberfläche - Iris Berben oder Otto Waalkes hat man so wohl noch nicht gesehen.

Die Mehrzahl der 83 Portraits ist schwarz-weiß gehalten und das schlichte Layout ordnet ein Bild pro Doppelseite an. Einige kleine Serien mit zwei bis vier Portraits der gleichen Person durchbrechen dieses Muster.

Im Umschlagtext findet sich der Hinweis, dass die Fotografin nach interessanten Gesichtern sucht, um danach die versteckteren Aspekte der Persönlichkeit zu suchen. Glücklicherweise geht es dabei nicht um eine möglichst außergewöhnliche Physiognomie, welche “Fotografier mich!” schreit und damit um Aufmerksamkeit hascht, sondern sie achtet auf leisere, tiefer gehende Signale. Auch deshalb bringt der Mix zwischen bekannten und unbekannten Gesichtern ein spannendes Erlebnis beim Durchblättern.

Ein besonders herausstechendes Bild ist gleich das erste: “Jack, 2011” ist ein drei bis vier Jahre altes Kind, das auf dem Foto durch seine Handhaltung und seinen Blick wesentlich reifer und erwachsener wirkt, als es seinem Alter entsprechen würde. Unweigerlich möchte man mehr vom Jacks Leben erfahren. Nicht umsonst ist dies auch das Coverfoto geworden.

Eine persönliche Anmerkung: Für ihre Arbeiten mit Celebrities kann  man folgende Übung empfehlen: einfach in Google den Namen eingeben und die angezeigten Bilder mit den Portraits von Romney Müller-Westernhagen vergleichen.

“Portraits” von Romney Müller-Westernhagen ist eine Sammlung von ausdrucksstarken Abbildungen bekannter und unbekannter Menschen. Sie schafft es mit ihren Fotos einen kurzen Blick auf sonst gut versteckte Emotionen der Portraitierten zu erhaschen und näher an die Person heran zu kommen.

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