Freiheit unterm Schleier


Frauen im Iran
von Bita Schafi-Neya
Rezension von Sandra Kolbinger | 11. November 2017

Freiheit unterm Schleier

Mit ersten Oktober 2017 wurde in Österreich ein Verschleierungsverbot eingeführt. Von den einen begrüßt, ist dieses Gesetzt für die anderen der Inbegriff von Intoleranz und wird leidenschaftlich angefochten. Dasselbe Gesetzt gibt es bekanntlich andernorts umgekehrt – eine Verschleierungspflicht der Frau. Eines dieser Länder ist der Iran. Sittenwächter patrouillieren auf den Straßen und ermahnen die Frauen zum Verhüllen von Körper und Haar. Doch ist das das Einzige, was man über die Frauen im Iran wissen muss? Bita Schafi-Neya geht in ihrem neuen Werk „Freiheit unterm Schleier: Frauen im Iran“ dieser Frage nach.

Der Zugang den Schafi-Neya in dem im Braumüller Verlag erschienen Sachbuch wählte, ist ein sehr persönlicher. Regelmäßig reist sie in ihre zweite Heimat, wie sie den Iran nennt, und hat dementsprechend viele Kontakte. Diese nutzt sie, um durch Interviews und Gespräche bei Tee und Kuchen subjektive Stellungsnahmen zu verschiedenen Themen zu erlangen. So erfährt man nebst Anekdoten Wissenswertes über die verschiedenen Verschleierungstypen, über Frauen im Berufsleben, wie sie Sport betreiben können, wobei das laut dem konservativen Islam nicht erwünscht ist, und wie es in Sachen Liebe und Ehe um die Frauenrechte bestellt ist. Aufgelockert werden die Themenblöcke mit kurzen geschichtlichen Inputs, welche eine Zeitspanne von 1921 bis 2017 umspannen. Durch all diese Elemente lernt man die Regeln und Konventionen kennen, mit denen Frauen im Iran konfrontiert sind. Zum Beispiel sitzen sie im Bus in einer eigenen Sektion, abgetrennt von den Männern, betreiben Sport nur in Privathäusern oder Hallen und dürfen nur mit Genehmigung der Eltern oder des Ehemannes arbeiten, reisen oder dergleichen mehr. Und sie müssen sich öffentlich verschleiern. Aber durch die persönlichen Geschichten der vielen Frauen, mit denen Schafi-Neya spricht, lernt man diese auch von ihrer lebenslustigen, rebellischen Seite kennen und bemerkt bald die paradoxen Vorteile der Geschlechtertrennung. So gibt es zum Beispiel Bedarf an weiblichen Taxifahrerinnen – denn bei einer Frau steigen weibliche Fahrgäste viel lieber ein. Etwas, was für viele Bereiche gilt.

Die Themenblöcke werden durch kurze Kapitel gegliedert, was den umfangreichen Gegenstand besser verdaubar macht und wodurch man leicht am Ball bleibt. Spielerisch versteht es Schafi-Neya das Spannungsverhältnis, in dem die Frauen im Iran leben, abzubilden und auch auf die LeserInnen zu übertragen. Gerade die häufigen Vergleiche mit den deutschen Sitten helfen dabei sehr. Aus dieser Herangehensweise resultiert natürlich auf der anderen Seite ein starker Individualismus, aber es scheint auch nicht die Intention zu sein, allgemein etwas über DIE Frau im Iran zu sagen, als vielmehr Einzelschicksale näher zu beleuchten. Wenn dies im Hinterkopf behalten wird, gestaltet sich die Lektüre als unterhaltsam und sanft informativ, ohne zu überfordern oder einen in Depressionen verfallen zu lassen. Was allerdings, besonders am Anfang, stark auffällt, sind Redundanzen. Es ist gut, dass die verschiedenen Verschleierungstypen immer wieder kurz erklärt werden – die Autorin hat Recht, damit tun sich Europäer offensichtlich wirklich schwer. Aber an anderen Stellen finden sich Phrasen gehäuft, ohne eine solch erklärende, hilfreiche Funktion zu besitzen. Zum Glück gelingt Schafi-Neya eine sympathische Sprache, der man diesen kleinen Makel problemlos verzeiht. Und sie weckt die Lust, sich selbst ein Bild vom Iran zu machen – einem Land, das in ihrer Beschreibung vielseitig und gastfreundlich wirkt.

So kontrovers das Thema Verschleierung der Frau in Österreich aktuell diskutiert wird, so festgefahren scheint es im Iran – zumindest wird dieses Bild von den Medien im Westen vermittelt. Aber tatsächlich wird in „Freiheit unterm Schleier: Frauen im Iran“ von Bita Schafi-Neya ein anderes Bild gezeichnet. Nämlich eines, in dem das Kopftuch rutscht und selbstbewusste Frauen wissen, wie sie ihren Raum optimal nutzen. Es ist gut, dass nun auch ein Werk existiert, welches der Welt zeigt, was im Iran alles möglich ist. Und darüber nachdenken lässt, was noch alles kommen könnte – im Iran und in Europa.

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