Wenn es dunkel wird

von Peter Stamm
Rezension von Stefan Cernohuby | 09. Januar 2021

Wenn es dunkel wird

Was ist es, dass einen Menschen am ehesten aus dem Gleichgewicht bringt? Vermutlich, wenn sich etwas, das seit ewigen Zeiten immer gleich war, plötzlich verändert. Wenn Fantasien plötzlich Realität werden und die Realität zur Fantasie wird. Im S. Fischer Verlag ist die Erzählungssammlung „Wenn es dunkel wird“ von Peter Stamm erschienen. Erzählungen, bei denen man nie vorhersagen kann, in welche Richtung sie abdriften.

Elf Erzählungen oder Kurzgeschichten sind in diesem Werk enthalten. Gemeinsam haben sie nur, dass sie von ganz normalen Menschen erzählen oder diese dem Leser zumindest das Gefühl geben wollen. Oder gaukelt es der Autor nur vor?
Man erfährt unter anderem, wofür eine alte Eichhörnchen-Maske genutzt werden kann. Man stellt fest, dass nicht nur ein Kaiser schöne neue Kleider tragen kann, lernt völlig neue Auswirkungen eines Supermondes kennen. Ein Arzt, der vor einer Operation steht, gibt sich Erinnerungen hin, digitale Medien führen zu einem Perspektivwechsel, Blutspenden haben plötzlich negative Auswirkungen und manchmal ergibt sich durch eine Niederlage eine neue Chance.

Was kann man allgemein über den Band sagen, ohne von jeder der Erzählungen zu viel vorwegzunehmen? Peter Stamm ist unvorhersehbar. Manche von den enthaltenen Geschichten verlaufen geradezu konventionell, um dann im letzten Moment abzubiegen um den Leser perplex zurückzulassen. Andere verlieren sukzessive an Substanz, werden immer leichter und schweben dann geradezu davon. Und dann gibt es noch jene Erzählungen, bei denen ein Element immer mehr in den Fokus tritt, von dem man es überhaupt nicht erwartet hätte, um letztendlich eine Auflösung zu präsentieren, die genauso unerwartet ist. Es sind Geschichten, die man immer lesen kann, die in sich abgeschlossen sind und beinahe immer eine kleine Überraschung bereithalten. So liest man ein Buch, dessen phantastische Inhalte nicht offenkundig sind, aber dennoch vorhanden. Wenn man das nicht mag, ist „Wenn es dunkel wird“ vielleicht eine negative Überraschung. Für regelmäßige Leser des Genres ist das Werk dann eine sehr positive Überraschung.

„Wenn es dunkel wird“ von Peter Stamm ist eine Erzählsammlung, bei der man nicht von Anfang an weiß, was man von ihr halten soll. Ist es eine Sammlung von Alltagsgeschichten? Nein. Nur dann, wenn der Alltag immer Wendungen nimmt, deren phantastische Inhalte manchmal schleichend, manchmal komplett überraschend aber immer leicht verstörend sind. Insofern kann man das Werk all jenen empfehlen, die Kurzgeschichten mögen und bereit sich, sich dem Unbekannten zu öffnen. Denn langweilig ist keine der enthaltenen Geschichten.

Details

Bewertung

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