Hannibal Rising

von Thomas Harris
Rezension von Stefan Cernohuby | 19. März 2007

Hannibal Rising

Kannibalismus wird heute nur noch bei wenigen Naturvölkern in ritueller Form praktiziert oder aber eben von Wissenschaftlern und Universalgenies, die Hannibal Lecter heißen. Nachdem dieser jetzt in nunmehr drei Romanen sein Unwesen getrieben hat, gesteht ihm sein Schöpfer Thomas Harris auch eine Vorgeschichte zu, die im Roman „Hannibal Rising“ erzählt wird. Ob es sich dabei nun um ein überflüssiges Prequel handelt oder ein weiteres Meisterwerk des Autors, ist eine nicht unberechtigte Frage.

Hannibal Lecter ist ein hochintelligentes Kind. Schon in jüngstem Alter hat er sich das Lesen selbst beigebracht und ist für seinen jüdischen Hauslehrer Jakov eine wahre Herausforderung. Hannibals mehr oder weniger glückliche Kindheit wird jäh unterbrochen, als die Nazis auf ihrem Feldzug gegen Russland in Litauen einfallen. Nachdem seine Familie es geschafft hat sich vor den Truppen in einem entlegenen Waldschloss zu verbergen, holt sie der Krieg erst viel später ein. Seine Eltern und sein Hauslehrer werden bei einem Kampf zwischen einem russischen Panzer und einer Stuka getötet, nur Hannibal und seine kleine Schwester Mischa überleben.
Dann folgt das einschneidende Erlebnis in Hannibal Lecters Leben: der Tod seiner Schwester. Als die Lebensmittel knapp werden und die beiden gemeinsam mit hungernden deutschen Plünderern zu überleben versuchen, beschließen diese in der Not seine Schwester zu kochen und zu verspeisen.
Hannibal, der daraufhin entkommt, verdrängt diese Situation und kann sich erst viele Jahre später wieder daran erinnern. Als er Jahre später von seinem Onkel und dessen japanischen Frau aufgenommen wird, hat sich seine Persönlichkeit bereits auf nicht gerade subtile Art und Weise verändert. Lange Zeit bleibt er stumm und verprügelt immer die größeren, brutalen Mitschüler, die sich an den Schwächeren vergehen.Hannibal, der daraufhin entkommt, verdrängt diese Situation und kann sich erst viele Jahre später wieder daran erinnern. Als er Jahre später von seinem Onkel und dessen japanischen Frau aufgenommen wird, hat sich seine Persönlichkeit bereits auf nicht gerade subtile Art und Weise verändert. Lange Zeit bleibt er stumm und verprügelt immer die größeren, brutalen Mitschüler, die sich an den Schwächeren vergehen.Als er schließlich herausfindet, was in seiner Kindheit geschehen ist, beschließt er, den Mördern eine angemessene Bestrafung zuteil werden zu lassen…
Und Hannibal Lecter kennt schon als Jugendlicher keine Gnade.


Thomas Harris gelingt es sehr gut, von seinen üblichen Schauplätzen zu historischen Orten und Geschehnissen zu wechseln. Man vermag sich sehr gut in die kritische Zeit des Zweiten Weltkriegs hineinzuversetzen und bekommt ein Gefühl dafür, wie wenig damals Menschenleben wert waren, egal auf welcher Seite die Leute gestanden haben. Auch das traumatische Erlebnis seiner Kindheit, das Verspeisen seiner Schwester durch hungernde Verbrecher, wird früh genug im Roman angedeutet, um hier nichts vorwegzunehmen. Selbst Hannibals Rache ist nachvollziehbar gestaltet. Die Verknüpfung der Geschehnisse mit den Weisheiten seiner angebeteten Lady Murasaki, der Frau seines Onkels, bringt auch noch etwas mehr Poesie in seine Handlungen.
Dennoch – und das ist der größte Kritikpunkt – kann man als Leser immer noch nicht nachvollziehen, wann Hannibal eigentlich zum Kannibalen wird.
Ja, es gibt eine Szene im Buch, in der angedeutet wird, dass der junge Lecter eine Art kannibalisches Ritual an einem seiner Opfer (einem der Mörder Mischas) vornimmt. Aber um tatsächlich eine charakterliche Verbindung zwischen dem frühen und dem späten Hannibal oder auch nur einen Konnex zwischen „Hannibal Rising“ und „Roter Drache“ herzustellen, fehlt doch noch einiges. So manchem Leser mag nun in den Sinn kommen, dass es für dieses Prequel eventuell noch ein Sequel geben könnte – wer weiß?

Thomas Harris’ Schreibstil liest sich wie immer flüssig, das gesamte Buch ist wie aus einem einzigen Guss geformt. Auch wenn der Hauptcharakter eigentlich ein Monster ist, er wird einem dennoch niemals wirklich unsympathisch. Ist das nicht vielleicht etwas, worüber man sich Gedanken machen sollte?

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

Könnte Ihnen auch gefallen: