Ganz dringend ans Meer

von Susanne Pavlovic
Rezension von Stefan Cernohuby | 15. November 2020

Ganz dringend ans Meer

Manchmal hat man das Gefühl, dringend weg zu müssen. Irgendwohin. Einfach nur weg. Oder in die Berge. Ans Meer. Ein solcher Wunsch kann ganz unterschiedliche Gründe haben und unterschiedliche Menschen betreffen. Doch manchmal kann es passieren, dass sich Wünsche sehr verschiedener Personen miteinander decken. Von einer derartigen Situation erzählt Susanne Pavlovic in ihrem Roman „Ganz dringend ans Meer“.

Als Wanja aus dem Gefängnis kommt, passiert das aufgrund von guter Führung vorzeitig. Er weiß genau, dass es ein Fehler war, Drogen zu verkaufen. Insofern will er seine zweite Chance nutzen und endlich einen stabilen, vernünftigen Job haben. Nicht als Rausschmeißer in einem Striplokal. Doch als Ex-Gefängnisinsasse ist es beinahe unmöglich, irgendwo eine Anstellung zu erhalten. Als er dann herausfindet, dass der Sohn seiner verstorbenen Ex-Freundin mit einem Junkie zusammenlebt, sich hauptsächlich von erbettelten Süßigkeiten ernährt, nicht zur Schule geht und auch sonst einer düsteren Zukunft entgegensieht, beschließt er, dem kleinen Felix zu helfen. Und als er auch aus seiner Situation im Moment keinen Ausweg erkennt, organisiert er sich ein Auto, packt den Jungen auf die Rückbank und erfüllt diesem seinen größten Wunsch: der Kleine möchte „Ganz dringend ans Meer“. Als die beiden gegen alle Chance auf Magdas Reiterhof einen Platz zum Leben und Arbeit finden, kehrt erstmals seit Langem Ruhe und Normalität bei beiden ein. Doch das kann nicht von Dauer sein, denn Wanja hat einiges unerledigt gelassen. Es geht um Geld, das Auto seines Bruders und nicht zuletzt um Verstöße gegen seine Bewährungsauflagen.

Es gibt viele schwierige Themen, die man in Romanen behandeln kann. Drogenhandel ist eines, vernachlässigte Kinder sind ein anderes. Doch „Ganz dringend am Meer“ thematisiert noch viel mehr komplexe Schwerpunktthemen. Darunter Resozialisierung von Straftätern und deren Reintegration in die Gesellschaft und selbst Analphabetismus wird angeschnitten. Natürlich macht diese Mixtur den Roman zu keinem einfachen Lesestoff. Dennoch hat es die Autorin geschafft, alle dies wichtig für das Werk zu machen, aber dennoch nicht dessen Grundstimmung bestimmen zu lassen. Die Geschichte hat auch helle, freundliche und hoffnungsvolle Momente. Man erkennt, dass selbst Verlorene einander noch etwas zu geben haben und hat die Hoffnung, dass vielleicht doch nicht alles so grandios scheitert, wie man die Befürchtung hat. Denn die Chance bleibt da, bis zuletzt.
Hier spielen Gefühl, Verantwortungsbewusstsein und Emotion eine gleich große Rolle – nicht immer sind sie ausbalanciert. Nicht jeder ist in der Lage mit Tod und Verlust umzugehen, nicht alle sind immer bereit oder in der Lage, sich Gesetzen und Vorgaben unterzuordnen. Das zusammen ergibt es einen spannenden Roman, der zwar vom Thema her nach Roadmovie klingt, tatsächlich aber realistisch von Menschen am Rande der Gesellschaft erzählt, denen kaum eine Chance auf Erfolg eingeräumt wird. Wer einer solchen Geschichte eine Chance geben kann, wird hier nicht enttäuscht.

„Ganz dringend ans Meer“ ist ein völlig anderer Roman von Susanne Pavlovic, die man eigentlich für ihre Fantasy-Reihen kennt. Ein Ex-Sträfling und ein unglückliches Kind ohne Eltern unternehmen gemeinsam eine Reise ans Meer, die eine überraschende Wendung nimmt. Viele schwierige Themen wurden hier in eine Geschichte übernommen, funktionieren aber trotzdem bestens zusammen. Kein einfacher Roman, aber ein gelungener.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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