Der Orkfresser

von Christian von Aster
Rezension von Stefan Cernohuby | 10. Mai 2018

Der Orkfresser

Über Ernährungsgewohnheiten lässt sich seit einigen Jahren ziemlich gut streiten, besonders wenn es um Fleisch und Tierprodukte geht. Eine relativ einhellige Meinung herrscht jedoch vor, wenn es um den Verzehr von Menschen geht. Das ist in der Regel eher unerwünscht. Wenn nun ein Roman erscheint, der den Titel „Der Orkfresser“ trägt, fragt man sich schon, wer in welcher Fantasywelt derartig fragwürdige kulinarische Gelüste besitzt. Christian von Aster beantwortet die Frage und kommt zu einer überraschenden Antwort.

Aaron Tristen ist vieles, aber eines nicht: ein erfolgloser Autor. Gerade erst hat er den zweiten Band der Creature-Clash-Reihe „Engel gegen Zombies“ veröffentlicht. Und er hasst jede einzelne Seite davon, genauso wie die damit zusammenhängende Promo-Tour. Noch mehr hasst er jedoch die Tatsache, dass er zu dem sinnentleerten Stück Unterhaltungsliteratur ohne jeglichen Anstand oder Anspruch noch einen dritten Band schreiben soll. Er fühlt sich, als hätte er den Kern dessen, was es heißt, Autor zu sein, verraten und verkauft. Und als dann noch Orks bei der Premierenparty auftauchen, als er gerade seine Nase gepudert hat, und die Wahrheit zu dem Thema aussprechen, brennen Aaron alle Sicherungen durch. Er verprügelt die Studenten bis zu einem geistigen Blackout, das im Bett neben einer glücklicherweise weiblichen Orkin endet. Als ihn Willi, seine Lektorin und Schnittstelle zur Realität, zum Verleger schleift, scheint die Situation langsam etwas bedrohlich zu werden. Also flieht er nach Leipzig, trifft einen alten Freund, wird von einem Auto angefahren, bekommt seltsame Drogen als Schmerzmittel zugesteckt und lebt fortan jeden Tag mit verschiedenen Fantasiegestalten an seiner Seite. Er trifft auf eine Autorengruppe mit Guru, eine Fernseh-Hexe, einen HipHop-Gangster und eine graue Maus. Fast immer wechseln sich die regulären Textfragmente mit kurzen Abschnitten aus der Phantasie oder Textschöpfungen, welche die unweigerlich aufkommende Frage nach der geistigen Gesundheit des Protagonisten mit einer großzügigen Handbewegung abtun. Genauso wie es auch Arthur Dent, Huck Finn, Balu, Don Quijote und all die anderen tun würden, die sich im Buch die Ehre geben.

„Der Orkfresser“ ist gewissermaßen ein Buch, das ein wenig zwischen den Stühlen angesiedelt ist. Einerseits macht es sich über Kommerz und das Ausschlachten von Ideen lustig – siehe die Creature-Clash-Reihe, die man durchaus auf einige existierende Romane und deren Autoren münzen könnten. Andererseits ist das Werk selbst bei Klett-Cotta erschienen, also nicht gerade einem traditionellen Kleinverlag. Die unzähligen Anspielungen auf Kunst und Künstler aus allen Bereichen werden das Herz jedes Teilzeitnerds höherschlagen lassen. Und die Referenzen sind einfach zu viele, um sie alle zu kennen. Wer sich mit phantastischer Literatur beschäftigt, kennt einen großen Teil – und es gibt immer noch eine Menge aufzuholen, was sehr erfreulich ist. Ein Spiel mit der eigenen Identität, der eigenen Vergangenheit und mit einer möglichen Zukunft tritt über weite Strecken des Romans in den Hintergrund der Situationskomik und –tragik. Im Leser werden Vermutungen geweckt, Zweifel werden gesät und dann reißt Christian von Aster das Ruder herum und alles ist doch ganz anders. So erhält man am Ende auf jeden Fall nicht die Geschichte, die man als Leser erwartet hätte, obwohl man es eigentlich hätte besser wissen müssen – falls man schon einmal ein Werk des Herrn Aster verschlungen hat. Auf jeden Fall wird die arme Saskia vermutlich vergebens auf einen Soloroman des Vampirengels Sanguiel warten müssen. Aber sehr wahrscheinlich freut das die Lektorin.

Mit „Der Orkfresser“ liefert Christian von Aster wieder einmal ein Werk ab, bei dem man als Leser schnell vergisst, wo oben und unten ist, zumindest wird man so herumgeschleudert. Und auch wenn der Titel überhaupt keinen Indikator für den Inhalt darstellt, ist man einer Menge Phantastik viel näher, als man ursprünglich erwartet hätte. Voller Andeutungen, direkter Referenzen und mit absichtlich klischeehaften Charakteren versehen, fällt es zwar schwer den Roman zu kategorisieren, nicht aber ihn zu mögen.

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Bewertung

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