Gezeichnet

von Osamu Dazai
Rezension von Manfred Weiss | 19. Juli 2018

Gezeichnet

Japan, Mitte des 20.Jahrhunderts. Ein Land zwischen Moderne und Tradition, gezeichnet noch vom 2.Weltkrieg und dem wirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbruch danach. Eine Herausforderung auch für die literarische Szene Japans, die dazu Worte, Handlungen, Geschichten finden will.

Ein Mann erzählt sein Leben. Beginnend mit einer Betrachtung von Kindheitsfotos, dann über Erinnerungen an das Aufwachsen, Schulfreundschaften, dem Zwist mit den Eltern, Geschwistern. Später die Mühen des Erwachsenwerdens, Alkohol, Drogen, Exzesse, der Versuch der Rettung in Ehe und Familie, daneben Selbstmordgedanken und -versuche. Alles geprägt von großer Hilflosigkeit, der Bürde des Lebens nicht gewachsen zu sein.

 

„Als Mensch disqualifiziert”

Als „Gezeichnet“ von Osamu Dazai 1948 in Japan erschien, war der Autor bereits tot. Er hatte sich bald nach Abgabe des Manuskripts, noch keine vierzig Jahre alt, gemeinsam mit seiner damaligen Geliebten getötet. Obwohl er bereits vor dem 2.Weltkrieg, aber auch während der Kriegsjahre, immer wieder Arbeiten veröffentlicht hatte, ist „Gezeichnet“ heute sein bekanntestes und am meisten gelesenes Werk.

Die Übersetzung des Titels ist sehr frei. Wortgenauer übersetzt bedeutet das japanische „Ningen shikkaku“ nämlich „Als Mensch disqualifiziert“. Doch auch „Gezeichnet“ passt, versucht doch der Ich-Erzähler der Geschichte sein Glück ab und zu im Zeichnen von Mangas. Und man kann auch dem Roman etwas Zeichnerisches im Entwurf seiner Hauptpersonen und Handlung nicht absprechen.

Das Buch ist trotz des langen Erzählzeitraums mit 140 Seiten sehr kompakt. Am Ende ist der Erzähler weit über seine Jahre gealtert. „Ich werde siebenundzwanzig dieses Jahr. Mein Haar ist grau, und die meisten halten mich für über vierzig.” Und wir erfahren auch, dass die Geschichte eine gefundene ist, der Autor nur die Worte eines anderen, nahezu ungeschminkt präsentiert.

Vermischte Biografien

Die Nähe zur eigenen Biografie von Osamu Dazai macht einen nicht unwesentlichen Reiz des Buches aus. Der Autor erzählt sein Leben, aber ist dabei natürlich trotzdem Autor, setzt Schwerpunkte, gestaltet das Geschehen nicht für sich, sondern für die Leser. Ein wenig erinnert er darin an die zahlreichen anderen Beispiele wo sich Autobiografie und Roman vermischen. Zuletzt etwa bei den Büchern von Karl Ove Knausgard.

Osamu Dazais Schreibstil wirkt manchmal atemlos, trotz der Kürze des Romans. Viele Sätze ufern weit über ihre grammatikalischen Grenzen aus und orientieren sich in ihrem Aufbau mehr an der Länge des beschriebenen Gedankens. Das fordert den Leser, da er so unweigerlich in den Erzähltakt des Autors fallen muss.

„Gezeichnet“ vom Osamu Dazai ist ein Buch für Leser, die bereit sind dem Autor in seine bedrohliche, manchmal gewalttätige und zutiefst ausweglose Welt zu folgen. Herausfordernd geschrieben und radikal. Ein Stimmungsbild aus dem wieder aufzutauchen erleichternd ist, auch wenn das Gelesene noch intensiv und bedrückend nachschwingt.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    Ningen shikkaku
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2015
  • Umfang:
    155 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783944751030
  • Preis (D):
    12,95 €

Bewertung

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