Diner des Grauens

von A. Lee Martinez
Rezension von Stefan Cernohuby | 12. Februar 2017

Diner des Grauens

Es gibt eine Menge literarisches Material, das seinen Erfolg der Tatsache verdankt, dass jeder seine eigenen Probleme hat. Männer mit Frauen, Frauen mit Männern und das Ganze natürlich auch gleichgeschlechtlich untereinander. Immer mehr Menschen lesen, dass es in Ordnung ist, nicht mit jeder Situation gleich gut zurecht zu kommen und fühlen sich dadurch besser. Wenn A. Lee Martinez Roman „Diner des Grauens“ vorhätte in diese Kerbe zu schlagen, dann würde sein Zielpublikum aus Vampiren, Werwölfen und Geistern bestehen.

Genau um dieses Thema dreht sich nämlich die Handlung. Werwölfe und Vampire sind normale Leute, so wie wir alle. Und genau wie wir versuchen auch sie mit ihrer Existenz zu Rande zu kommen. Ganz besonders die beiden Hauptcharaktere Earl und Duke. Beide haben nicht unbedingt auf ein allzu glänzendes Leben – oder „Untotsein“, was Earl angeht – zurückzublicken.
Als sie nun in „Gils Diner“ mitten im Nirgendwo Halt machen und dieses kurz darauf von einer Horde Zombies angegriffen wird, scheint es für die beiden interessant zu werden. Denn irgendeine okkulte Macht hat wohl vor, etwas mit dem heruntergekommenen Lokal anzustellen. Gibt es eine Chance Geld zu verdienen? Mehr als das. Es geht schließlich nichts über einen vollen Magen, einen Platz zum Schlafen und die Bekämpfung allen Unrechts.
Dabei sind die beiden Freunde Earl und Duke alles andere als beeindruckende Gestalten der Nacht, denn alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen. Deshalb kann es auch vorkommen, dass Vampire andere Untote nicht mögen oder Werwölfe gut mit Tieren zurecht kommen können. Paradoxerweise scheinen gerade diese Abstrusitäten dazu beizutragen, die Situation zu entschärfen…
Doch das wirklich Böse lauert noch auf seine Chance. Es manifestiert sich in Form einer sinistren Schülerin, die mit Hilfe ihrer Ein-Mann-Jüngerschaft, einer Neufassung des Necronomicons in Taschenbuchform und einer Menge dunkler Phantasien vorhat, die Apokalypse heraufzubeschwören.

Kurzweilig und mit flotten Sprüchen gewürzt, erzählt A. Lee Martinez von ganz normalen Leuten, die vielleicht Probleme mit Körperbehaarung, Sonneneinstrahlung oder mangelndem Leben haben, aber trotzdem ihr Bestes tun, um die Schrecken des Alltags zu meistern. Auch wenn die Handlung an den Haaren herbeigezogen wirken oder eine Überdosis an seltsamen okkulten Begebenheiten vorkommen mag, macht die Art und Weise wie der Autor die Geschehnisse zu transportieren weiß, so manche kleinere Schwäche wieder wett. Man muss schmunzeln, wenn Earl sich beklagt, dass jede Frau ihn nur deshalb attraktiv findet, weil er ein Vampir sei. Man muss lachen, wenn Duke seinem blutsaugenden Freund mit Knoblauch zu nahe tritt. Und man fühlt sich (beinahe) bewegt, wenn zwei einsame Herzen, oder besser Seelen, nach Dekaden voller Sehnsucht nach wahrer Liebe zusammenfinden.

Wer ein Buch voller Anspruch und Tiefgang erwartet, ist bei „Diner des Grauens“ so falsch wie bei Dan Browns Romanen im Bereich „anspruchsvolle Literatur“. Wer aber unterhaltsame Lektüre sucht, die von Anfang bis Ende nicht langweilig wird, an haarsträubender Situationskomik beinahe an Terry Pratchett heranreicht, sowie Okkultes einmal von einer ganz anderen Seite darstellt, wird hier sicher nicht enttäuscht werden. „Diner des Grauens“ kann als gelungenes Romandebüt des amerikanischen Autors A. Lee Martinez bezeichnet werden. Darüber hinaus hat er es geschafft, ein eigenes Genre salonfähig zu machen, so wie einst Douglas Adams oder der zuvor erwähnte Terry Pratchett.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Erschienen:
    02/2017
  • Umfang:
    352 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783492281096
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
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