Der Mann, der König sein wollte

von Rudyard Kipling
Rezension von Stefan Cernohuby | 01. Januar 2015

Der Mann, der König sein wollte

Widmet man sich Werken eines Autors, der sich mit einer seiner Schöpfungen selbst unsterblich gemacht hat, geht man natürlich mit einer gewissen Erwartungshaltung an seine Literatur heran. Rudyard Kipling, hierzulande hauptsächlich bekannt für seine Dschungelbücher, war zu seiner Zeit einer der wichtigsten Vertreter der Kurzgeschichte und konnte darüber hinaus mit seinen exotischen, indischen Themen punkten. Einige dieser Erzählungen kann man im Kurzgeschichtenband "Der Mann, der König sein wollte" lesen.

Der Band beginnt mit der titelgebenden Geschichte, genauer gesagt trifft der Erzähler - seines Zeichens Presseredakteur - zwei britische Abenteurern, die sich selbst in der entlegenen Region Kafiristan (gehört heute zu Pakistan) zu Königen aufschwingen wollen. Nur einer der beiden kehrt zurück und kann berichten, was ihnen widerfahren ist. Es handelt sich um eine Geschichte mit vielen Hintergrundthemen, unter anderem der Freimaurerei, sie überrascht jedoch hauptsächlich durch den Schreibstil.
"Das Stigma des Tiers" behandelt ein völlig anderes und weit phantastischeres Thema, nämlich Flüche und Besessenheit. Nachdem ein Mann von einem Aussätzigen überfallen wird, entwickelt er plötzlich seltsame Gelüste und wird immer mehr zum Tier.
In "Imrays Rückkehr" geht es um das seltsame Verschwinden eines Mannes und sein wenig erfreuliches erneutes Auftauchen - in nicht wünschenswertem Zustand. Hier handelt es sich im Grunde um einen Krimi.
Eine tragische Geistergeschichte stellt "Die gespenstische Rikscha" dar. Ein Mann behandelt eine Dame, die in ihn verliebt ist, schlecht, was letztendlich zu ihrem Verscheiden beiträgt. Doch danach, als der Protagonist heiraten will, taucht sie in ihrer Rikscha wieder auf.
In "Der Ausgelöschte" thematisiert der Autor das Drama Gefangenschaft, bei der mitunter Jahrzehnte des Lebens einfach verloren gehen können.
"Seran Pambés Harren und Hoffen" soll vermutlich Unterschiede der einzelnen Kulturkreise hervorheben. Denn in dieser Geschichte geht es hauptsächlich darum, wie mit dem Thema Rache umgegangen wird.
In "Ohne priesterlichen Segen" spielt der eigentlich fehlende Segen kaum eine Rolle, es geht um Liebe, Freude und Verlust zwischen zwei Welten.
Während "Die Stadt der furchtbaren Nächte" nur eine Momentaufnahme der brütenden Hitze von Lahore darstellt, ist "Moti Guj, der Meuterer" wieder ein Highlight des Werks. Hier geht es um einen Arbeitselefanten und seinen Herren. Als letzterer verreisen muss, ringt er dem Elefanten das Versprechen ab, für zehn Tage mit einem anderen Herrn zu arbeiten. Doch als diese Zeit verstrichen ist, beweist er, wie subversiv ein Elefant sein kann, der nicht arbeiten will - mit eher phantastischem Hintergrund.
Die Geschichte "Naboth" ist gewissermaßen eine Parabel darauf was passiert, wenn man jemandem den kleinen Finger reicht und dieser die ganze Hand will.
Zum Abschluss des Bandes liest man "Georgie Porgie", die Geschichte eines Mannes, der mit seiner Frau in Burma nicht zufrieden ist, sondern lieber eine englische Dame zu Frau hätte. Eine Angelegenheit, die natürlich nicht allen Beteiligten zum Vorteil gereichen kann.

Die erste Geschichte des Bandes ist definitiv ein Schock für den Leser. Ein Schock, der noch stärker ausgefallen wäre, würde der Verfasser dieser Kritik nicht aus Wien stammen. Man hat das Gefühl, dass sich irgendwo zwischen Indien und Pakistian drei Wiener treffen und dann beinahe im tiefsten Dialekt ihre Erfahrungen austauschen. Das hat natürlich einen Grund, denn die Übersetzung dieses Werkes ist eine historische und stammt vom berühmten österreichischen Schriftsteller Gustav Meyrink. Und auch wenn die weiteren Erzählungen nicht so extrem wienerisch ausfallen, fragt man sich doch, warum gerade bei der ersten Geschichte nicht eingegriffen wurde. Auch die "gemeinen schwarzen Mohammedaner", die mehrfach vorkommen, könnten heutzutage für das eine oder andere Kopfschütteln sorgen. Hier hätte man ruhig Muselmanen draus machen können. So wäre der alte Wortklang erhalten geblieben, aber man würde niemanden wegen einer heutzutage als Beleidigung verstandenen Formulierung vor den Kopf stoßen.
Die weiteren Kurzgeschichten des Bandes fallen in der Kritik gemischt aus. Einige sind wahre Perlen von Kiplings Erzählungen, andere eher mittelmäßig. Doch die Vielfalt der Themen und die historische Reife, die dem Band unweigerlich anhaftet, machen das Buch mit klassischem Einband und Bindung letztendlich zu einem Sammlerstück, das man sein Eigen nennen sollte - vor allem wenn man sich für weitere Werke Kiplings interessiert und nicht nur die beiden Dschungelbücher kennen möchte.

Auch wenn die titelgebende Geschichte durch den starken Wiener Dialekt für einen Unkundigen dieser Sprachvariante schwer zu lesen ist, üben die weiteren Kurzgeschichten nicht nur durch ihren Stil sondern auch durch die vielfältigen Themen, die historische Relevanz und die entsprechende Übersetzung von Gustav Meyrink spürbare Faszination auf den Leser aus. Dementsprechend handelt es sich um ein Buch, das einen nicht nur Rudyard Kipling näherbringen kann, sondern bei dem es sich auch lohnt, es zu besitzen.

Details

  • Autor*in:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    09/2014
  • Umfang:
    238 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    3943999165
  • ISBN 13:
    9783943999167
  • Preis (D):
    19,9 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik: