Ich Dylan Ich

von Peter Wawerzinek
Rezension von Manfred Weiss | 23. Dezember 2015

Ich Dylan Ich

In „Ich-Dylan-Ich“ lädt Peter Wawerzinek zu einer Reise nach Wales ein, zu einer Reise zum von ihm nahezu groupiehaft verehrten Dylan Thomas, Aber er lädt auch dazu ein, ihn selbst, seine Geschichte und Gedankenwelt kennenzulernen. Das Buch ist ein Zwiegespräch mit Dylan Thomas, doch der kann nicht mehr antworten. So bleibt es ein erzählerischer Monolog an der Klagemauer des früh verstorbenen Dichters. Es entsteht ein Monolog des einsamen Trinkers in einem walisischen Pub.

Und so kann man sich das Setting des Buches gut vorstellen. Am Tresen stehend in Wales, auf der Suche nach seinem Idol. Weder Wirt noch andere Gäste erkennen den Jugendhelden von Peter Wawerzinek auf Fotos. Auch verbinden sie mit dem Namen Dylan Thomas keine Werke mehr. Dylan Thomas ist jung verstorben - an 18 hintereinander getrunkenen Whiskeys, wie es die Legende sagt. In Amerika, als zum Dyl Ulenspiegel-haft verkommenes Dichter-Faktotum, wie Peter Wawerzinek berichtet, und den Dichter damit auch in Bezug zur deutschen Literaturgeschichte setzt.
Eine sehr schöne Brücke.
Manches wäre zu sagen zu den Klagen, dass Dylan Thomas sich so früh zu Tode soff, wenn ja eigentlich die Biographie Teil des Mythos ist. Ein wenig, wie wenn man den frühen Tod von James Dean beklagt. Wie würde ein Alterswerk von Dylan Thomas wohl aussehen?

Der Roman ist ein flüssig und oft gut  geschriebenes Lamento, persönliche Autobiographie, Dichterbiographie und Reiseführer durch Wales in einem. Allerdings erwischt man sich wieder und wieder zurückblätternd zum Titelblatt, ob dort tatsächlich Roman steht. Zwischenzeitlich fragt man sich, ob alles Geschriebene vielleicht tatsächlich Fiktion ist, verknüpft mit der historischen Figur Dylan Thomas und macht sich an die Recherche zur Biographie des Autors. Wenig überraschend ist die in Übereinstimmung mit dem Geschriebenen. Was also ist der Roman? Viel treffender stünde hier “Ein Zwiegespräch”, “Eine Annäherung”, “Eine Nachschau”, nicht aber Roman. Sonst findet der Leser den sehr persönlichen Zugang Peter Wawerzineks zu Dylan Thomas. Ob das Geschriebene unbedingt so einladend ist um sofort in die nächste Buchhandlung zu stürmen und Dylan Thomas nachzulesen, ist schwer zu beurteilen. Das mag vom Einzelfall abhängen.

Was aber nahezu sicher aufkommt, ist ein Interesse an Wales, dem Land aus dem Dylan Thomas stammt. Im Wesentlichen ist das Buch nämlich oft ein Reiseführer durch das Wales von heute, lange Zeit auf den Spuren von Dylan Thomas, aber vor allem gegen Ende hin Thomas fast vergessend, so dass manchmal der Eindruck entsteht, der legendäre, verehrte Autor ist nur noch Anlass, sein Land zu lieben. Zum Beispiel gibt es in Wales offenbar einen Ort namens Cwmffrwd. Das ist dann schon sehr beeindruckend.
In den letzten Kapiteln wird das Lamenti des Trinkers im vorgestellten Pub mehr und mehr eigenartig. Plötzlich tauchen Begegnungen mit Altrockern auf, die mal wahr oder nicht wahr und Vorband der Rolling Stones bei einem Konzert in Wales gewesen sind. Einer von ihnen fährt im teuersten neuen Elektromobil herum, weil er da auch am Gehsteig fahren kann.
Das ist dann aber trotzdem wieder stimmig, wenn man den Erzähler an der Bar stehend sieht, die Zeit vorgerückt, aber noch nicht loslassen wollend. “One more cup of coffee on the road” um es mit den Worten eines anderen Dylan zu sagen, der in seiner Namensgebung offenbar auch von Dylan Thomas inspiriert war.
In der monologhaften Zwiesprache den Ausgang zu finden, scheint dem Autor schwer zu fallen. Es gibt keine Handlung fertig zu erzählen, keine Biographie abzuschließen. Das Buch endet, hätte noch weitergehen, aber genauso gut schon 30 Seiten davor enden können.

„Ich-Dylan-Ich“ ist ein Buch für den geduldigen Leser, der gut auch ohne Handlung auskommen kann. Es ist schön und in einem klaren sprachlichen Rhythmus geschrieben, aber es packt den Leser nicht, es reißt ihn nicht mit in die beschriebene Welt. Man findet allzu viele Ausgänge, insgesamt mehr zu Peter Wawerzinek, als zu Dylan Thomas. Insofern passt es schon, dass im Titel zweimal Ich und nur einmal Dylan steht.

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