Die Stunde des Venezianers

von Marie Cristen
Rezension von Janett Cernohuby | 25. Januar 2009

Die Stunde des Venezianers

Zwar sagt ein altes Sprichwort, man solle ein Buch nicht nach seinem Umschlag, und demzufolge nach seinem Klappentext, beurteilen, aber lassen wir uns immer wieder von eben diesem täuschen. Wie oft hat man nicht schon zu einem Roman gegriffen, der ein ansprechendes Äußeres besaß, welchem die Geschichte aber nicht gerecht werden konnte. Wahrscheinlich hat man auch genauso oft Bücher ignoriert, deren Aufmachung weniger einladend wirkte. Gleiches gilt auch für das Werk "Die Stunde des Venezianers". Hier sollte man sich keineswegs durch die weibliche Protagonistin dazu verleiten lassen, dass Buch mit der derzeit überschwemmenden historischen Frauenliteratur in einen Topf zu werfen.

Ende des 14. Jahrhunderts heiratet die junge Adlige Aimée Andrieux den flämischen Kaufmann Ruben Cornelis. Als dieser jedoch schon kurz darauf während einer Handelsreise ums Leben kommt, steht Aimée vor einem Scherbenhaufen. Das Handelshaus ist hoch verschuldet, von der Familie ihres verstorbenen Gatten wird sie nicht akzeptiert und man versucht sie mit allen Mitteln aus Brügge zu vertreiben. Doch Aimée ist eine Kämpfernatur und so bietet sie ihren Feinden tapfer die Stirn. Als ehemalige Hofdame der Herzogin Margarete hat sie einflussreiche Freunde hinter sich und versteht es, deren Interesse für kostbare Juwelen und Roben für die Rettung des Handelshauses zu nutzen. Doch nachdem immer wieder Handelstransporte ihres Hauses überfallen werden, beschleicht sie immer mehr der Verdacht, dass es in ihrer eigenen Familie jemanden gibt, der das Handelshaus zugrunde richten möchte. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich schließlich an den undurchsichtigen Venezianer Domenico Contarini, der ihr seine Unterstützung zusagt. Als schließlich ein Anschlag auf Aimée verübt wird, kämpft die junge Frau nicht mehr nur um das Überleben des Handelshauses, sondern auch um ihr eigenes.

Mit dem Hörbuch "Die Stunde des Venezianers" liegt ein fesselnder historischer Roman vor, der Einblicke in das Kaufmannsgewerbe des 14. Jahrhunderts gibt. Auf sehr eindrucksvolle Art schildert die Autorin, wie hart der Kampf ums Überleben des Gewerbes war und unter welchem politischen Druck die Kaufleute standen. Sanktionen und ungerechtfertigte Steuern werden ebenso dargestellt, wie der gesellschaftliche Alltag. Dass eine Frau zur damaligen Zeit nichts zu sagen hatte, wird sehr schnell deutlich. Trotzdem geht Aimée mutig, wenn auch mit Vorsicht ihren Weg. Sie versucht nicht, mit aller Gewalt ihre Stellung zu behaupten und ihren Kopf durchzusetzen, sondern verfolgt ihre Ziele stets mit Bedacht. Sie sucht sich zuerst Freunde und Wohltäter, bevor sie der Männerwelt zeigt, dass auch sie ein Handelshaus führen kann. Somit stellt sie keine Emanze dar, wie es mittlerweile oft in historischen Büchern vorkommt. Auch sonst unterscheidet sich dieser Roman sehr stark von jenen Frauenromanen. Das Hauptaugenmerk des Buches liegt nicht allein auf Aimée. Auch gesellschaftliche Entwicklungen sowie die Ereignisse des Handelshauses Cornelis geben der Geschichte ein stimmiges Gesamtbild.
Bei dem vorliegenden Hörbuch handelt es sich zwar um einen Fortsetzung des Werkes "Beginenfeuer", jedoch kann man den Roman mühelos als eigenständiges Werk lesen beziehungsweise hören. Es werden vom Hörer keinerlei Kenntnisse des Vorgängerbandes erwartet und die Geschichte bezieht sich an keiner Stelle auf vorhergehende Ereignisse.
Gelesen wird das Buch von Brigitte Assheuer. Sehr stimmungsvoll und überzeugend gibt sie die Geschichte Aimées wieder. Dabei passt sie den Klang ihrer Stimme stets an die jeweilige Situation an. Mal drohend, mal geheimnisvoll, mal verängstigt oder erleichtert, stets weiß sie die Ereignisse so wiederzugeben, dass es für den Leser ein wahrer Genuss ist, ihr beim Lesen zuzuhören.
Ein wenig Schade ist jedoch die Aufmachung des Hörbuches. Zwar liegt ihm ein sehr dickes Booklet bei, jedoch gibt dieses nur Informationen über das Verlagsprogramm wieder. Schade, denn für den Hörer wären hier Stammbäume von Aimées Familie und der Familie Cornelis sowie eine Auflistung aller wichtigen Handlungsfiguren sehr hilfreich gewesen. Denn die zahlreiche Verwandtschaft der beiden Familien erfordert vom Hörer zu Beginn der Erzählung sehr große Aufmerksamkeit.

Trotzdem ist "Die Stunde des Venezianers" ein rundherum gelungener historischer Roman. Die Handlung fesselt von der ersten Minute bis zu letzten. Mit großer Spannung verfolgt man Aimées Kampf um die Rettung des Handelshauses mit. Die hervorragende Sprechleistung Brigitte Assheuers rundet das Werk ab und macht es zu einem einzigartigen Hörgenuss. Daher ist es allen Fans historischer Romane sehr zu empfehlen.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    09/2007
  • Umfang:
    6 CDs
  • Typ:
    CD
  • ISBN 13:
    9783866103818
  • Spieldauer:
    460 Minuten

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch: