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Kolumne: Qualität in Literatur und Literaturkritik

Beitrag von Stefan Cernohuby | 30. April 2016

In den vergangenen Wochen und Monaten hat es im Literatursektor zahlreiche Diskussionen gegeben, die von unterschiedlichen Leuten ausgelöst wurden. Da gab es ein Plädoyer einer Selfpublisherin, die sich gegen Lektorat ausgesprochen hatte. Und es gab Diskussionen über Blogger, die für ihre Bloggertätigkeit bezahlt werden wollten. Beide Themen zogen einen Rattenschwanz an Folge- und Unterthemen hinter sich her. Wir sind der Meinung, dass sich beide Diskussionen am eigentlichen Kern der Thematik vorbei bewegen, ohne diesen wirklich anzuerkennen. Denn der Name des Kernproblems lautet: Qualität.

Warum werden Selfpublisher von einer großen Menge an Lesern skeptisch betrachtet? Warum wird jemand, der sich als Blogger bezeichnet, von „seriösen“ Medienvertretern oder zahlreichen Verlagen immer noch geringschätzig von oben herab belächelt? Einer der Hauptgründe ist, dass der Verzicht auf Qualität von zahlreichen Vertretern so augenscheinlich ausgelebt wird, dass Außenstehende diese Einstellung zu Unrecht auf gesamte Gruppen umlegen.
Denn selbstverständlich gibt es Autoren, die auch ohne Lektorat gute Texte schreiben. Und es gibt viele Blogger, die sich bei ihren Einträgen Mühe geben um ihre Blogeinträge weitgehend fehlerfrei zu gestalten. Sie hacken diese nicht in einer einzelnen Hau-Ruck-Aktion direkt in das Webinterface, ohne sie danach noch ein einziges Mal anzusehen.
Leider aber sind es oft die ersten Eindrücke, die zählen. So kann es mehr als schockierend wirken, wenn ein Online-Magazin, das aus einer Zeitschrift entstanden ist, die einst mit 50.000 Stück Auflage im gesamten deutschsprachigen Raum hatte, einen Leitartikel über den neuen „Star Wars“-Trailer zu „Rouge One“ präsentiert. (QUELLE: http://www.spielxpress.de/index.php?mm_sxp=4 – mittlerweile korrigiert)

Rouge, nicht Rogue. Vermutlich geht es in diesem dann um einen neuen Kosmetikartikel, mit dem die Gesichtsfarbe von Darth Vader angepasst werden.

Hier beißt sich die Katze im übertragenen Sinne in den Schwanz. Ja, es gibt Autoren und Redakteure, die ohne Qualitätskontrolle schreiben können. Aber das sind bei weitem nicht alle. Und zu glauben, dass alles, was man fabuliert, stets herausragend und fehlerfrei sei, zeugt nicht von Selbstbewusstsein sondern von Größenwahn. Ja, Kritik tut weh – und viele fühlen sich angegriffen, wenn man Arbeitsweise oder Ergebnisse in Frage stellt.

Auch einer der Redakteure von Janetts Meinung wagte es, seine Meinung im Rahmen der Diskussionen zum Besten zu geben und fand sich bei beiden Debatten inmitten zweier relativ extremer Fraktionen wieder. Da gab es größtenteils Schwarz und Weiß, Gut und Böse – je nachdem aus welcher Warte das Thema betrachtet wurde, konnte man die Begriffe austauschen.

Dabei ist der Schluss, den man ziehen kann, relativ einfach und auch nicht pathetisch.
In einer Literaturlandschaft, die sich immer mehr verändert, müssen sich sowohl Verlage und Selbstpublisher als auch die Medien mit verändern.
Heutzutage gibt es für jeden Internetbenutzer die Möglichkeit, sich gratis ein Blog zu besorgen und zu schreiben, worüber er will – und viele bloggen über Bücher. Auch Bücher kann man online gestalten und dann „On Demand“ drucken lassen.
Um sich aber jetzt aus der Masse der Selfpublisher, Blogger, Rezensenten und Kritiker abzuheben und Leser zu überzeugen, benötigt es vor allem eines: Qualität.

Dazu gehören nicht nur gute Ideen und ein toller Schreibstil bei Autoren oder eine fundierte und pointierte Meinung bei Kritikern. Das Gesamtbild muss stimmig sein. Ein selbstgeschnitztes Cover eines Buchs, das jedem Grafiker einen kalten Schauer über den Rücken jagt, ist ebenso wenig förderlich, wie drei Rechtschreibfehler in jedem Satz oder ein lieblos hingeklatschtes Wordpress-Standardformat ohne jegliche SEO-Optimierung.

Ein großes Streitthema in beiden laufenden Diskussionen war der Begriff „Professionalisierung“. Viele etabliterte Autoren waren der Meinung, dass man ohne vernünftiges Lektorat keine entsprechenden Ergebnisse abliefern könne. Viele Blogger waren wiederum der Meinung, dass mehr Engagement in Hinblick auf Webdesign, Struktur oder Korrekturen für ein Hobby zu viel Aufwand wären.
Wir sind der Meinung, dass es immer hilfreich ist eine Sache professionell anzugehen, wenn man sich damit der Öffentlichkeit stellt. Wenn man keine Ambitionen hinsichtlich seiner Werke und Kritiken hat, ist es sicherlich in Ordnung, keine professionellen Maßstäbe anzulegen. Möchte man aber ernst genommen werden, sollte man sich sehr wohl mit dem Gedanken anfreunden, gewisse Qualitätsstandards einzuhalten.


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Stefan Cernohuby, geb. 1982, ist Dipl.-Ing. für Elektronik und seit über 10 Jahren im Bereich Qualitätsmanagent tätig. Nachdem er mehrere Jahre für die Qualitätssicherung der Bordnetzelektronik bei BWM verantwortlich war, ist er nun in Österreich für ein großes Softwareunternehmen tätig. Nebenberuflich war er leitender Redakteur des Magazins SpielxPress sowie Chefredakteur, Redakteur und Lektor für verschiedene Online-Medien.

 

  

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