Digitale Ethik


Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert
von Sarah Spiekermann
Rezension von Manfred Weiss | 22. Mai 2019

Digitale Ethik

Bald schon werden wir mit Androiden diskutieren und allzeit erreichbar und mit anderen in Verbindung sein. Algorithmen werden unsere Bedürfnisse analysieren und sie auch maßgeschneidert zu erfüllen versuchen. Immer wichtiger wird die Beschäftigung mit der Frage, ob wir das alles wollen und wie wir damit umgehen.

Sarah Spiekermann schildert in “Digitale Ethik” wie Grundsätze der Ethik auf zentrale Fragestellungen des 21. Jahrhunderts angewendet werden können. Nach einer kurzen Einleitung dazu, wie sie im Silicon Valley mit der Tech-Industrie in Berührung gekommen ist, stellt sie eine spannende Aufgabe vor, die sie ihren Studentinnen und Studenten im Rahmen einer Übung gestellt hat. Die Definition der Anforderungen an eine Software für einen der derzeit allgegenwärtigen Services, die per Fahrrad Essen liefern und darauf dann angewendet und detailliert ausgeführt, einige grundsätzliche ethische Prinzipien.

“Realität wahrnehmen …

Diese Übung und daraus abgeleiteten Erwägungen und Schlussfolgerungen ziehen sich durch das ganze Buch und werden immer wieder aufgegriffen. Sie sind aber nur eines von zahlreichen Beispielen, die die Autorin zur Diskussion stellt. Genauso geht es um Unternehmen, die mit Möglichkeiten moderner, digitaler Technologien versuchen Mitarbeiter, aber vor allem auch Kunden, zu lenken und zu manipulieren. Doch auch der eigene, persönliche Umgang mit digitalen Medien wird hinterfragt. Denn mehr und mehr wird bewusst, dass wir digitalen Instrumenten wie Smartphones und Tablets, aber auch Angeboten wie Sozialen Netzwerken oder computergesteuerten Assistenten ohne eine bewusste Reflexion der Veränderungen, die sie für uns und unseren Alltag bedeuten und ohne konkrete, wertebasierte Beschäftigung damit, oft fast hilflos ausgeliefert sind.
Es braucht kein besonders Verständnis der Digitalen Medien um den verschiedenen Fragestellungen, die die Autorin behandelt, folgen zu können. Letztlich ist klar, dass die Grundsätze der Ethik und die Definition der Werte nicht von den neuen Medien vorgegeben werden, sondern lang bestehende Grundstrukturen sind, die ebenso auf diese neuen Technologien angewendet werden können, ja fast müssen.

… statt Zukunftsprognosen glauben”

“Realität wahrnehmen statt Zukunftsprognosen glauben”, heißt etwa eine Überschrift, die dazu auffordert im Umgang mit der digitalen Welt selbst zu reflektieren statt den verschiedenen Software-, Technik und Fortschrittsgurus zu glauben.
Das Buch leitet auch zur grundsätzlichen Beschäftigung mit Werten an. Welche sind die Werte, die man im Umgang mit der modernen Welt anwenden möchte? Die Idee diese Werte individuell zu fixieren, um sie dann als stabile Basis für die Beschäftigung mit Neuem anwenden zu können, wird in einer immer rasanter werdenden, fortschrittsgläubigen Zeit mehr und mehr bedeutsam.
In nicht allen Fragen mag man die Werteinschätzung der Autorin teilen, aber gerade das ist auch eine Stärke des Buches, dass man in der Abweichung der eigenen Werte und Einschätzungen diese besser verstehen lernt.
Trotz der notwendigen Skepsis für manche neue technische Entwicklungen ist “Digitale Ethik” kein technologiefeindliches Buch. Ganz im Gegenteil ist Sarah Spiekermann hoch fasziniert von den technischen Möglichkeiten, die bisher entstanden sind, genauso wie von vielen weiteren, die sich bereits abzeichnen.

„Digitale Ethik“ ist ein Buch für alle, die sich mit dem Thema „Werte“ im Umfeld der technologischen Veränderungen und den sich daraus ergebenden Fragestellungen beschäftigen möchten. Es bietet Beispiele und Werkzeuge an, um sich mit aktuellen Technologiethemen ebenso zu befassen wie mit zukünftigen, weil generelle Wertestrukturen wie Privatheit oder Individualität als fixe Bewertungsgrößen auch im technologischen Wandel stetig Bestand haben.

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