Spirit Yoga: Aufrecht, stark und klar im Leben

von Patricia Thielemann
Rezension von Emilia Engel | 23. Oktober 2017

Spirit Yoga: Aufrecht, stark und klar im Leben

Yoga-Stile gibt es mittlerweile so viele wie Sand am Meer, so scheint es manchmal. Da ist es gar nicht einfach durchzublicken. Findet man nicht das, was man braucht, so kann man immer noch seinen eigen Yoga-Stil erschaffen. Patricia Thielemann zeigt hier, wie sie es mit viel Mut und Kraft geschafft hat, ihren Herzenswunsch nicht nur erfolgreich zu realisieren, sondern auch einer Community Raum zu geben,  in der alle denselben Wunsch haben - bei sich selbst anzukommen und dabei stark und aufrecht im Leben zu stehen.

Patricia Thielemann wollte schon in jungen Jahren Schauspielerin werden und reiste aus diesem Grund nach Amerika. Beinahe ein Jahrzehnt später kehrte sie allerdings als Yogalehrerin zu ihren Wurzeln nach Deutschland zurück. Namhafte Yogagrößen  zählen zu ihren Lehrern, darunter die als “Yoga-Kriegerin” bekannte Ana Forrest, Bryan Kest, der Gründer des Power Yoga, und die für ihre Yoga-Flows beliebte Shiva  Rea, um nur einige zu nennen. Sie hat viel von ihnen gelernt und für sich mitgenommen. Doch der amerikanische Hang zur Selbstdarstellung und Oberflächlichkeit - ja, den gibt es sogar im Yoga - brachte sie dazu, in ihre Heimat zurückzukehren und vor 15 Jahren ihre ganz eigene Yoga-Methode zu kreieren.

Spirit Yoga, so der Name ihres Yoga, verfolgt eine klare Linie in Bezug auf die Art des Unterrichtens - wie, was, warum. Es fordert Disziplin und harte Arbeit an sich selbst. Die Yogahaltungen und Atemübungen müssen selbst im Schlaf perfekt sitzen. Im Gegensatz zum klassischen Yoga legt die Autorin großen Wert darauf, unsere europäischen Wurzeln in den Yoga einfließen zu lassen. Indien mag der Geburtsort des Yoga sein, aber hier in Europa brauchen wir ein dem unsrigen Leben angepassten Yoga. Innerhalb dieses Rahmens bietet Spirit Yoga dem Lehrer aber auch genügend Freiraum, um sich selbst entfalten zu können und seine ganz individuelle Art des Unterrichtens zu finden.

Auf ihre Biografie, die Philosophie ihres Yogas und einer detaillierten Beschreibung der Lehrerausbildung folgt in der zweiten Hälfte des Buches eine Reihe von Gesprächen, die sie mit Personen aus den Bereichen Medizin, Religion, Literatur und Philosophie geführt hat. In den Gesprächen suchen sie einen Konsens zwischen Yoga und der jeweiligen Profession des Gesprächspartners.

Zu guter Letzt folgt eine kleine Auswahl von Asanas (so werden die Yogahaltungen genannt), die der Autorin am Herzen liegen. Sie erklärt nicht nur den Weg in die Asana und deren Form, sondern auch welchen Bezug diese zu unserem Alltagsleben haben kann.

Es war der sehnlichste Wunsch der Autorin dieses “Spirit Yoga Manifest” zu schreiben. Zweifellos ist Patricia Thielemann eine starke Frau, die ihren Schülern und Lehrern sehr viel zu bieten hat. Doch schon während des Lesens fragt man sich, für wen dieses Buch eigentlich geschrieben ist.

Im Groben kann man das Buch in vier Teile gliedern. Da haben wir den ersten Teil, der ihre Biografie behandelt. Ohne ihr Leben oder ihre Leistungen zu schmälern, muss man jedoch sagen, dass dieser Teil weder besonders gut geschrieben, noch spannend ist. Eine Kurzfassung auf zwei Seiten hätten diesbezüglich wohl gereicht. Darauf folgt ein Teil, in dem sie erklärt, welche Erwartungen sie an Yoga hat, beziehungsweise welche Anforderungen er erfüllen muss. Mit allen anderen Yoga-Stilen geht sie ziemlich hart ins Gericht. Es scheint als wäre ihre Methode die einzig Vernünftige in der großen Auswahl an Yoga und als wäre sie die Erste, die Yoga so praktiziert wie sie es tut. Das soll keinesfalls eine Kritik an ihrer Form des Yoga sein. Spirit Yoga scheint an sich eine tolle Sache zu sein - präzise in der Ausführung, frei von “esoterischem Humbug” und mit dem nötigen spirituellem Tiefgang, um sich selbst weiterentwickeln zu können. ABER: Es gibt sehr wohl andere Yogastile, die ausgezeichnet sind, was sowohl ihre anatomische Ausrichtung der Asanas angeht,  als auch den philosophischen Tiefgang, den es braucht - auch ohne auf unser europäisches Erbe zu verzichten und nur im indischen Götterhimmel dahin zu schweben. Ein ziemlich großer Teil ihres Werkes widmet sie auch den Lehrinhalten der Lehrerausbildung.

Der Interviewteil des Buches ist von der Idee her interessant, aber in der Praxis nicht so gelungen wie erhofft, da die Verbindung zum Yoga nicht immer glaubhaft hergestellt wird.

Der letzte Teil des Buches, mit den vorgestellten Übungen, ist hingegen überaus zufriedenstellend. Selten findet man in der Yogaliteratur so detaillierte und anatomisch fundierte Anleitungen der Übungen. Das erfreut bestimmt nicht nur das Yogalehrerherz, dass endlich einmal  jemand so genau mit den Anleitungen ist.

Ein weiterer Punkt, der einen zwiegespalten zurücklässt, ist, dass die Autorin als langjährige Yogini mit ihrer harten Kritik anderer oder amerikanischer Stile gegenüber überraschend wenig Feingefühl zeigt. Ebenso scheint es, dass sie noch sehr in ihrem Ego verhaftet ist. Es kann aber auch gut sein, dass das nur schriftlich der Fall ist und man den richtigen Eindruck erst gewinnt, wenn man ihr gegenübersteht.

Letztendlich ist es schwer zu sagen, wer dieses Buch lesen soll. Einem absoluten Neuling im Yoga kann man es eher nicht empfehlen. Am ehesten wird es für jene sein, die Spirit Yoga schon machen oder mit der Lehrerausbildung liebäugeln oder jene, die einfach einen neuen Stil kennenlernen möchten.

Von einem Lese”vergnügen” konnte bei Patricia Thielemanns Werk nicht unbedingt die Rede sein. Allerdings kann man sich im Buch schon ein sehr gutes Bild von ihrem “Spirit Yoga” machen, der, angepasst an den modernen Alltag und unsere mitteleuropäischen Herkunft, herzlich dazu einlädt, einmal eine ihrer Yogastunden zu besuchen. Wo das Buch vielleicht nicht ganz so überzeugend war, ist es bestimmt überzeugender aktiv nach ihrem Stil zu praktizieren.

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