Day to Night

von Stephen Wilkes (Fotograf*in)
Rezension von Michael Seirer | 17. Februar 2020

Day to Night

Viele der hier abgebildeten Orte kenn man: Waren es früher Prachtbände oder Reisemagazine, sind es heute Eindrücke aus Social Media, welche uns den Markusplatz, Grand Canyon oder den Pariser Eiffelturm bekannt vorkommen lassen. Doch so, wie der Fotograf Stephen Wilkes sie fotografiert hat, kenn man sie noch nicht.

Mit einer selbst entwickelten Technik fügt er hunderte, von einem Stativ über einen ganzen Tag verteilt aufgenommene Aufnahmen zu einem einzigen, außergewöhnlichen Panorama zusammen.Viele der hier abgebildeten Orte kenn man: Waren es früher Prachtbände oder Reisemagazine, sind es heute Eindrücke aus Social Media, welche uns den Markusplatz, Grand Canyon oder den Pariser Eifelturm bekannt vorkommen lassen. Doch so, wie der Fotograf Stephen Wilkes sie fotografiert hat, kenn man sie noch nicht. Mit einer selbst entwickelten Technik fügt er hunderte, von einem Stativ über einen ganzen Tag verteilt aufgenommene Aufnahmen zu einem einzigen, außergewöhnlichen Panorama zusammen.Über 10 Jahre arbeitete Stephen Wilkes an dieser Technik um so einen speziellen Ort im Ablauf von 24 Stunden darzustellen.

Spannend werden die Fotografien, da sich neben dem Sonnenstand auch Menschen und Wetter oft stark verändert. Bis zu 1.500 Fotografien werden dabei für ein Sujet verwendet. Im Ergebnis sieht man eine einzigartige Visualisierung menschlichen Lebens auf Plätzen und in der Natur.

Wie dieses Zusammenfügen genau passiert, hängt stark vom Inhalt ab und ist somit kein relativ einfaches Zusammenfügen zu einem Panorama, wie man es in Software mit wenigen Clicks erreichen kann. Beispielsweise sind Collagen enthalten, bei denen der Zeitverlauf von rechts nach links geschieht und damit klar ersichtlich ist. Es gibt aber auch viel subtiler wirkende Ereignisse, wie den Eiffelturm in Paris: Hier wurden in unterschiedlichsten Bereichen Fotografie von unterschiedenen Zeitpunkten kombiniert. Dies ist aber nur erkennbar, wenn man sich den Schattenwurf der Objekte im Bild ansieht. Dieses „verräterische” Detail ist allerdings weniger das Aufdecken eins Fehlers, sondern ein Suchspiel des Betrachters, der sich beim Entdecken einen Aha-Moment gönnt und so einen kleinen Teil des Rätsels entschlüsselt hat. Es macht Spaß, Fotografien so im Detail zu betrachten - ähnlich den Wimmelbüchern für Kinder.

Stephen Wilkes kombiniert technisches Know-how und künstlerische Vision zu einem besonderen Ergebnis welches keine Moment- oder Langzeitaufnahme zeigt, sondern gleichzeitig Details, zwischen denen mehrere Stunden liegen können. Er hat eine neue Spielart gefunden, wie Zeit in einer Kamera festgehalten werden kann und das gottseidank in einer Art und Weise, die von Automatisierung durch Software wohl nicht so bald nachgemacht werden kann. Immerhin benötigte er für die Auswahl und das Zusammensetzen seiner Collage über die Kanadakraniche am Platt River in Kanada drei Monate! Die einzelnen Aufnahmen selbst sind nicht wie bei üblichen Timelapse Techniken in fixen Intervallen eingestellt - Stephen Wilkes bestimmt selbst, wann das Licht und die Situation passt und löst aus.

Ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen, einen mächtigen Ort nicht mit einer einzelnen Fotografie (oder auch Panoramen) so wiedergeben zu können, wie er sich damals angefühlt hat, begann Stephen Wilkes  zu experimentieren. Er landete bei einer 4x5-Zoll-Kamera, welche er ab 2005 mit einem digitalen Rückenteil ausstattete und damit eine große Anzahl von Aufnahmen von einem Ort machen konnte. Auch Photoshop war zu dieser Zeit mächtig genug, die Vision von Wilkes realisieren zu können.

Doch neben ausgefeilter Aufnahmetechnik und hohem Aufwand beim Zusammenstellen ist auch im Vorfeld ein hoher Aufwand zu betreiben: Für die ausgewählten Plätze muss ein Aufnahmeort gefunden werden, der eine gute Übersicht bietet und zumindest 24 Stunden verwendet werden kann.

Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt der aufwändigen Technik von Stephen Wilkes ist, dass er problemlos Ausstellungsformate mit 4,5 Metern realisieren kann. Damit auch detailverliebte Betrachter keine Fehler im Bild finden, kontrolliert er rigoros Zwischenergebnisse.

Das Buch wird den außergewöhnlichen Fotografien gerecht: Das XXL Format zeigt die Bilder ganzseitig oder manchmal sogar auf einer Doppelseite - bei einer Seitengröße von 42 cm lange Kante liegt aufgeklappt dann ein Foto mit 84 cm vor dem Betrachter - eindrucksvoll! Und dann setzt das Buch noch eins drauf und zeigt den Grand Canyon mit zwei Ausklapplaschen und hat somit ein Format von 1,6 Metern. Ebenfalls wirkungsvoll sind die ausgewählten Detailfotos, welche das Skurrillitätenkabinett mancher Situationen im Detail nochmals verstärken.

Stephen Wilkes ist es gelungen durch geschickte Kombination von technischen Möglichkeiten und künstlerischer Vision Fotografien zu erschaffen, die durch die nie stehenbleibende Zeit Geschichten erzählen. Man muss schon länger hinschauen, um die vielen Details und Nuancen zu finden und freut sich wie Kind, wenn einem dies gelingt. Wie eine moderne Version von einem Gemälde von Pieter Brueghel breiten sich das alltägliche Leben gleich neben dem fulminanten Gesamteindruck eines ganzen Tages in einem Bild nebeneinander aus. Ein außergewöhnliches Buch, das die Möglichkeiten der Fotografie perfekt zeigt.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch, Englisch, Französisch
  • Erschienen:
    05/2019
  • Umfang:
    260 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783836562690
  • Preis (D):
    100,00 €

Bewertung

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