Brigitte Riebe im Interview

Beitrag von Janett Cernohuby | 18. Mai 2009

Die gebürtige Münchnerin und promovierte Historikerin Brigitte Riebe ist vielen Lesern historischer Romane ein Begriff. Seit 1996 hat sie zahlreiche Werke veröffentlicht, welche die Leser in eine vergangene Zeit eintauchen und ereignisreiche Momente miterleben lassen. Nun möchte die Autorin ihre Werke einer weiteren Zielgruppe zuführen und veröffentlichte im April 2009 ihren ersten historischen Roman für Jugendliche. Anlässlich dieser Erscheinung bat ich Brigitte Riebe um ein Interview. Dieser Bitte ist sie gerne nachgekommen.

© Jorinde GersinaJanetts Meinung: Im April erschien Ihr erster Roman für Jugendliche. Bisher kannte man Sie als Autorin historischer Romane für ein erwachsenes Publikum. Wie kamen Sie auf die Idee, nun für junge Leser zu schreiben?

Brigitte Riebe: Während meines Studiums hatte ich viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Über das Museumspädagogische Zentrum habe ich Führungen mit ihnen unternommen, aber auch Ausflüge ins Sommercamp. Beides war eine unheimlich gute Schule für mich. Kinder können sehr unhöflich sein. Entweder packt man sie oder aber sie benehmen sich so daneben, dass man aus Museen rausgeschmissen wird.

Während der Lesungen aus meinen Büchern waren oft drei Generationen anwesend: die flotte 60jährige Großmutter, die 40jährige Tochter und die 15jährige Enkelin. So kam mir die Idee, jungen Lesern ein eigenes Werk zu schreiben, damit sie nicht immer auf der Welle der Älteren mitreisen müssen.

JK: Wo liegt der Unterschied zwischen Erwachsenen- und Jugendliteratur? Worauf muss man beim Schreiben besonders achten?

BR: Zuallererst natürlich die Sprache. Diese ist bei der Jugendkultur viel einfacher und schlichter und so kann man keine großen romantischen Ausflüge machen oder mit der Sprache spielen. Gleichzeitig muss man junge Leser mit guter Sprache füttern.
Aber auch die Handlung selbst ist anders aufgebaut. So habe ich bei meinen Werken für erwachsene Leser mitunter bis zu sechs verschiedene Handlungsstränge, die sich miteinander verflechten. Das ist natürlich bei Jugendromanen nicht in diesem Umfang möglich. Doch auch 'Der Kuss des Anubis' verzichtet nicht auf mehrere Handlungsfäden. Von meinen Testlesern, von denen die jüngste 11 ½ Jahre war, wurde dies sehr gut angenommen.
Ähnliches ist auf die Heldinnen anwendbar. Da ich keine Wonder-Woman mag, kommen in meinen Werken immer zwei bis drei Hauptfiguren vor. In meinem Jugendroman habe ich mich natürlich auf eine Person beschränkt. Auch ist diese eine Identifikationsfigur, an die sich junge Leser anlehnen und mit der sie durch die Geschichte gehen können.
Dass ich damit richtig lag, hat mir das Feedback gezeigt. Denn sogar (männliche) Lesemuffel haben zu 'Der Kuss des Anubis' gegriffen.

JM: Was erwartet die Leser in Ihrem neuen Buch 'Der Kuss des Anubis'?

BR: Das Buch ist eine Art Krimi, wobei kein klassischer Detektiv in diesem Sinne vorkommt. Die Geschichte erzählt das letzte Regierungsjahr des Tutanchamun. Die 15jährige Miu, die bei ihrer Tante in einer Schenke arbeitet, hört zufällig das Gespräch zweier Gäste. Dabei glaubt sie, ihren Ohren nicht trauen zu können, als der eine 'Der Falke wird zum Himmel fliegen' sagt. Hinter dieser Aussage steckt eindeutig ein Mordkomplott gegen Pharao Tutanchamun. Miu versucht alles daranzusetzen, eine Warnung auszusprechen. Doch niemand will einem 15jährigen Mädchen glauben. Zwar gelingt es ihr, mit Hilfe ihrer Großmutter in den Palast zu gelangen, aber man lässt sie nicht zum Pharao. Da erinnert sie sich einer alten Begegnung mit dem damals jungen Tutanchamun, die ihr letztlich den Zugang ermöglicht. - Mehr soll jedoch nicht verraten werden.

Lange glaubten Wissenschaftler und Historiker, dass Tutanchamun durch einen Schlag auf den Hinterkopf ermordet wurde. Aktuelle Computertomographien haben aber gezeigt, dass sein Tod vermutlich durch einen offenen Oberschenkelbruch und eine daraus resultierende Entzündung eintrat. - Diese Erkenntnisse verarbeite ich in 'Der Kuss des Anubis'.

JM: Warum wählten Sie für Ihren Roman das alte Ägypten als Schauplatz?

BR: Manche Orte und Epochen sprechen einen mehr an als andere. Man reist irgendwo hin und empfindet Sympathie. Ägypten ist ein faszinierendes Land, welches der Nil durchschneidet. Er ist die Lebensader, die alles wachsen und leben lässt. Daneben herrscht die trockene Wüste. Das Land, aber auch seine Geschichte faszinieren mich sehr. Ägypten besaß eine unglaubliche Hochkultur, als wir Europäer noch in Höhlen hausten. Aber auch die komplexe Welt der Götter finde ich sehr faszinierend.
Bereits als Mädchen empfand ich diese Faszination und habe mich seither sehr intensiv mit dem alten Ägypten beschäftigt.

JM: Die im Buch vorkommenden Personen werden sehr glaubwürdig und lebensecht dargestellt. Gibt es einen Charakter, der Ihnen während des Schreibens besonders ans Herz gewachsen ist?

BR: Ani, der junge Polizist. Dieser hat einiges hinter sich. Als junger Mann hatte er Streit mit seinem Vater, weswegen er von Zuhause weglief und sich freiwillig beim Militär meldete. So nahm er am Nubienfeldzug teil und lernte dort die Grausamkeit des Krieges kennen. In diesem wurde sein Bein verletzt, das nie ganz verheilte. Doch trotz seiner Beeinträchtigung ist er ein guter und erfolgreicher Polizist.

In fast allen meinen Romanen kommen Menschen vor, die durch ein Handicap in ihrem Leben eingeschränkt sind. Wir genießen in der heutigen Zeit den Luxus auf Seh-, Hör- und andere Hilfen zurückgreifen zu können. Die Menschen der Vergangenheit konnten das nicht und so konnte schon die kleinste Beeinträchtigung ihr Leben nicht nur aus dem Gleichgewicht bringen, sondern auch des Lebensunterhalts berauben, wenn sie ihr Handwerk nicht mehr ordentlich ausüben konnten. Dies möchte ich den Lesern meiner Werke vor Augen führen.

JM: Was sind Ihre persönlichen Lieblingsszenen?

BR: Die Stelle, in der Mius Mutter zurückkommt.
Es ist eine sehr symbolische Geste. Bisher haben alle Miu belogen und ihr stets gesagt, ihre Mutter wäre tot. Wie eine Erscheinung taucht diese dann aber auf. Beide müssen sich zusammenraufen, denn das Miteinanderauskommen gestaltet sich als nicht so einfach.
Dies ist meine Lieblingsszene.

JM: Im Roman nimmt eine Katze eine bedeutende Rolle ein. Gründet dies auf eine heimliche Liebe Ihrerseits zu diesen Tieren oder lediglich darauf, dass im alten Ägypten Katzen heilige Tiere waren?

BR: Das ist gar nicht heimlich. Ich selber bin ein riesiger Katzenfan und bin der Meinung, ein Leben ohne Katzen hat keinen Sinn. Ich bin fasziniert von ihrer Ästhetik, ihrer Anmut und ihrer Grazie.
Natürlich habe ich auch selber einen kleinen Stubentiger. Nachdem meine liebe Luna nach 18 Jahren starb, bekam ich eine kleine Lilly vermittelt. Bei unserem ersten Tierarztbesuch stellte sich jedoch heraus, dass es keine Lilly, sondern ein Filou ist.
Natürlich haben Katzen im alten Ägypten eine besondere Rolle gespielt. Jedoch war keine Dynastie so katzenverrückt wie die 18. Dynastie.

JM: Wird man auch zukünftig weitere historische Romane für Jugendliche von Ihnen lesen können?

BR: Es werden hoffentlich noch viele kommen.
Im Herbst 2010 soll mein nächster Jugendroman mit dem Titel 'Mondschwestern' erscheinen. Dieser wird jedoch ein ganz anderes Thema haben. Die Handlung spielt in Andalusien, nach der Reconquista, als die katholischen Könige Spanien zurückerobert haben. Es handelt von dem selten erwähnten Genozid der spanischen Herrscher an den Mauren, welche fast zwei Jahrzehnte unterdrückt und ausgewiesen wurden. Mir war es wichtig, in der heutigen Zeit, in der das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen so einseitig dargestellt wird, einmal an den arabischen Einfluss auf unsere Kultur und Sprache zu erinnern.

JM: Liest man als Autorin historischer Roman diese auch selbst gerne oder greift man dann doch lieber zu Büchern eines anderen Genres?

BR: Es gibt einige historische Romane, die man lesen sollte. Allerdings mag ich die Massenware 'Historischer Roman', die derzeit den Buchmarkt überrollt, nicht. Dennoch gibt es auch ganz erfreuliche junge Autoren, die tolle Sachen schreiben.
Auch bin ich ein großer Krimifan.

JM: Welche Autoren bevorzugen Sie selbst? Beeinflussen diese auch ein wenig Ihre Arbeit?

BR: Im Leben beeinflusst einen alles, was man sieht oder fühlt. Jede Erkenntnis, die man gewinnt, jede Rose, an der man riecht, beeinflusst einen. So beeinflussen mich auch andere Autoren. Allerdings werde ich deswegen nicht meinen Schreibstil ändern oder deren Ideen in meine Romane aufnehmen. Vielmehr sind sie eine Erweiterung des Horizonts. So ist mir beispielsweise während einer Urlaubsreise die Lektüre ausgegangen. Ich bin auf die Suche nach Beute gegangen und habe mit Vergnügen ein Sachbuch über Migräne gelesen. So kam ich auf die Idee, den Verfasser des Hexenhammers (aus 'Die Hexe und der Herzog') unter Migräne leiden zu lassen.
Sehr gerne lese ich Titus Müller, Daniel Kehlmann, Julia Kröhn, Charlotte Lyne, Margret Atwood oder Viola Alvarez, die mit 'Wer gab der Liebe die Gewalt' einen der besten historischen Romane geschrieben hat.
Wenn Sie mich fragen würden, welchen Roman ich am meisten mag, würde ich Ihnen antworten 'Madame Bovary' von Gustave Flaubert.

JM: In Ihren Büchern schreiben sie von ganz unterschiedlichen historischen Epochen. Welches Jahrhundert finden Sie besonders interessant?

BR: Die Aufklärung fand ich unheimlich spannend. Mit ihr beginnt unser modernes Denken, denn sie gab den Menschen die Möglichkeit des selbständigen Denkens. Immanuel Kants Ausspruch 'Aufklärung ist die Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit' ist mein Lieblingssatz. Ich finde es ganz toll, nicht mehr das glauben zu müssen, was man per Diskret oder Befehl aufgetragen bekam.

JM: Gibt es ein Thema, zu dem Sie schon immer etwas schreiben wollten und wozu Sie sich noch nicht durchringen konnten?

BR: Oh ja. Ich wollte schon immer einmal über Katharine die Große schreiben. Aus zwei Gründen jedoch habe ich dies bisher nicht getan.
Erstens, ich kann kein Russisch. Zweitens, es wird Katharina nachgesagt, dass sie große Reformen durchgeführt hat. Trotzdem war ein Leibeigener für sie kein Mensch. Die wahnsinnige Grausamkeit mit der in Russland bis zur Oktoberrevolution geherrscht wurde, lässt mich zurückschrecken. Trotzdem finde ich die Figur Katharinas sehr interessant.

Daneben würde ich gerne über Maria Theresia schreiben, obwohl über sie schon sehr viel geschrieben wurde. Allerdings möchte ich dann über die ganz junge Maria Theresia schreiben, von der keiner geglaubt hat, dass eine Frau die Regierung übernehmen kann. Sie war eine besondere Frau, die trotz ihrer vielen Schwangerschaften, zahlreicher politischer Probleme und ihrem untreuen Ehemann viel erreicht hat.
Die Geschichte ist manchmal gemein. Fiese und brutale Herrscher bekommen den Beinamen 'der Fromme' oder 'der Gerechte', während man Maria Theresia ungerechter Weise als fette Glucke darstellt.

JM: Was sind Ihre nächsten Pläne oder Projekte?

BR: Natürlich der im Herbst 2010 erscheinende Jugendroman 'Mondschwestern'.
Daneben habe ich noch ein weiteres Projekt in der Pipeline: ein Roman über den Heiligen Franziskus von Assisi. Anders als man es üblicherweise liest, möchte ich ihn ein Stück fleischlicher darstellen, mit einer Tochter und Enkelin. Auch möchte ich darstellen, was die Kirche mit dem Armutsgedanken des Heiligen Franziskus gemacht hat. Denn ohne seine Arbeit wäre die Reformation weitaus früher gekommen.

JM: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Ich wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihrem neuen Roman und bin auch schon gespannt auf weitere Veröffentlichungen.

Brigitte Riebe im Interview