Ruf der Rusalka

von Stephan R. Bellem
Rezension von Stefan Cernohuby | 29. September 2019

Ruf der Rusalka

Jemanden zu rufen ist ein alltäglicher Vorgang. Ein Ruf von etwas kann jedoch ganz andere Dinge bedeuten. Sirenen haben beispielsweise nicht den besten Leumund, wenn es um ihren Ruf geht. Ein besonderer Fall ist der „Ruf der Rusalka“, der in der Regel aus einem bestimmten Grund ausgestoßen wird. Stephan R. Bellem hat seinen aktuellen Roman genau so genannt. Slavische Märchen versus Fantasy?

Lewis van Allington ist Schriftsteller. Er hat einen brillanten Verstand, besonders was Kriminalfälle angeht, und hat die Londoner Polizei schon mehrfach beim Aufspüren grausamer Verbrecher unterstützt. Leider hat das seine Spuren hinterlassen. Er will es sich zwar nicht eingestehen, doch er ist Alkoholiker. Und doch kann er seine Unterstützung nicht verweigern, als ihn eine junge Frau um Hilfe bittet, deren Freundin ermordet wurde – obwohl ihn die neue Mordreihe sowohl körperlich als auch geistig an seine Grenzen führt.
Katelyn Shaw kommt mit großen Vorsätzen und einem Empfehlungsschreiben nach London. Sie will Reporterin werden und hat in Manchester unter Pseudonym Artikel verfasst. Doch sie wird als Frau nicht gerade herzlich empfangen. Sie wird sowohl in der Redaktion abgelehnt, für die sie eine Empfehlung hatte, als auch überall sonst. Als sie sich im Büro des London Journal aufbaut und ihrer Enttäuschung in Form einer wütenden Bewerbungsrede freien Lauf lässt, bekommt sie die Möglichkeit, dort zu arbeiten.
Und so kämpft Lewis gegen seinen Alkoholismus und darum, die richtigen Verdächtigen zu finden, und Kate darum, ernst genommen zu werden und eine Story zu schreiben, die Aufsehen erregt. Beide erzielen Teilerfolge und werden dann über gemeinsame Bekanntschaften in den gleichen Fall verwickelt. Allerdings auf unterschiedliche Art und Weise...

Liest man den Titel des Romans, glaubt man zuerst, die Geschichte könnte in der ehemaligen Tschechoslowakei spielen. Tatsächlich spielt der Roman im London des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Nach Jack the Ripper haben die Serienmörder klangvolle Namen, und der gebrochene Protagonist hat einen großen Anteil daran, dass mehrere von ihnen gefasst wurden. So kommt ein wenig Holmes-Feeling auf, auch wenn van Allington ein anderes Laster als Holmes hat. Es gibt interessante Nebencharaktere, wie den deutschen Butler Dietrich, und einige Prominente Gastcharaktere, wie den tschechischen Komponisten Antonín Dvořák – und eines seiner bekanntesten Stücke ist Rusalka. Zufall? Wohl kaum. Stephan R. Bellem gelingt es auch, die Leser lange Zeit an der Nase herumzuführen. So gibt es einen Twist, der sich nicht unbedingt ankündigt, und ein wenig Übernatürliches. Einen reinen Fantasy-Roman hat man hiermit nicht vor sich, genauso wenig wie reinen Horror oder Thriller. Und doch überzeugt das Gesamtergebnis. Insbesondere, weil man mit den Charakteren fühlt, weil man sich wünscht, dass doch alles noch eine gute Wendung nimmt – besonders bei van Allington. Und eben, weil alles doch etwas anders ist, als man gedacht hätte.

„Ruf der Rusalka“ ist der aktuelle Roman von Stephan R. Bellem, der im Drachenmond Verlag erschienen ist und dessen Einordnung in Genres etwas schwerfällt. Er ist eine Mischung aus Detektivroman, der Geschichte einer rasenden Reporterin, einer mysteriösen Mordreihe, gemischt mit ein wenig Phantastik und slawischen Märchen. Da es dem Autor gelingt, die Charaktere glaubwürdig, die Handlung spannend zu gestalten und dabei den Leser über längere Zeit an der Nase herumzuführen, kann man dieses Buch allen Liebhabern der erwähnten Genres empfehlen. Und wer Stephan R. Bellem ohnehin schon kennt, weiß, dass er mit Überraschungen rechnen muss.

Details

Bewertung

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