Der Papierpalast

von Miranda Cowley Heller
Rezension von Emilia Engel | 17. Mai 2022

Der Papierpalast

Den Sommer im Sommerquartier in Backwoods zu verbringen, ist Tradition in Elles Familie. Liebevoll und ironisch zugleich wird das Sommerquartier aufgrund seiner Bauweise “Papierpalast” genannt. Seit ihr Großvater in jungen Jahren diese Unterkunft erbaut hat, kamen sowohl Elles Großeltern, ihre Mutter mit ihren Männern und sie selbst jeden Sommer her. Eine breite Palette an Emotionen hat sich an diesem Ort abgespielt. In diesem Sommer wird jedoch alles anders, denn Elle muss eine wichtige Entscheidung treffen.

Am Rande eines Sees und ganz nah am Meer gelegen, ist das Sommerhaus ein Paradies für Erwachsene und Kinder. Kinder können hier eine Menge Freiheiten und die Erwachsen unbeschwert den Sommer genießen und gemeinsam mit ihren Nachbarn aus den Cape-Häusern Feste und Cocktailpartys feiern. Ganz so idyllisch wie es klingt ist es für Elles Familie aber dann doch nicht. Die Familie hat viel Schmerz und Kummer in der Vergangenheit erlebt und auch wenn dies keine Familie aus Feiglingen ist, wie sie selbst sagen, so landet doch auch viel Ballast der Eltern auf den Schultern der Kindern.
Elle ist mittlerweile 50 Jahre alt und sie scheint die erste in ihrer Familie zu sein, die einen wundervollen Mann gefunden hat, mit dem sie drei Kinder hat, die sie über alles liebt. Dieser Sommer jedoch könnte alles verändern. Elle und Jonas, ein Freund aus Kindertagen, den sie  hier im Sommerquartier erstmals getroffen hat,  hatten ganz unerwartet eine leidenschaftliche Zusammenkunft. Und das, obwohl Elle mit ihrer Familie in Backwoods ist und Jonas nicht weit entfernt mit seiner Frau ein anderes Quartier hat. Ein ganzer Schwall Emotionen schwappt über Elle, Vergangenes taucht auf und reißt sie mit. Jonas, mit dem sie so vieles geteilt hat - Lachen, Abenteuer, aber auch anderes und Unerfreuliches - sollte er endlich ihr gehören? Doch Elle liebt auch ihren Mann, mit dem sie wieder ganz anderes verbindet, über alles. Wie kann sie sich da entscheiden? Noch ein Mal erlebt sie die Momente der Vergangenheit, erlebt Liebe, Angst, Wut und Verzweiflung. Ihre ganze Zukunft hängt von dieser einen Entscheidung ab.

Miranda Cowley versteht es fesselnde Geschichten zu schreiben. Kein Wunder, hat die Autorin doch zuvor so einige Serien entwickelt und war Senior Vice President und Head of Drama Series bei HBO. "Der Papierpalast" ist ein zu Recht hochgelobtes Buch.
Die Protagonistin ist eine sympathische Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben steht. Ihre Familie liebt sie sehr, nur mit ihrer Mutter ist es nicht immer einfach. Doch in diesem Sommer wird ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Schon auf den ersten Seiten des Buches erfährt der Leser und die Leserin von der bedeutungsschwangeren Nacht mit Jonas - etwas auf das sie insgeheim schon lange gewartet hat, ebenso wie er. Die Leserin spürt förmlich das Knistern und die Leidenschaft, Elles Unsicherheit aber auch das Verlangen.
Zwischen Jonas und Elle gibt es ein ganz besonderes Band. Ihre Freundschaft musste vielem standhalten, zerbrach aber auch zwischenzeitlich. Wieso und was geschehen ist, erfährt man in Rückblenden. Doch auch von Elles Großmutter und ihrer Mutter gibt es zahlreiche Episoden. Über Generationen hinweg gab es viele  Dramen. Leider blieb auch Elle nicht davon verschont und musste Dinge ertragen, die sie lieber vergessen würde und die sie sehr belastet haben.
Die Autorin springt in den Kapiteln in der Zeit herum. Immer wieder kommt die Leserin aber ins Jetzt zurück, zu diesem einen Tag, an dem Elle sich entscheiden muss, wie sie ihre Zukunft leben möchte. Das ist ein tolles Stilmittel, denn es ist nicht nur die Geschichte zwischen Jonas und Elle, und auch ihrem Mann Peter, die mit einem Hauch an Erotik in den Bann zieht , sondern auch die restlichen Familiendramen. Die Frauen aus Elles Familie, die alle kein leichtes Los hatten, aber immer das Beste versucht haben, um dann vielleicht doch zu scheitern. Die Beziehung zwischen Elle und Annas Schwester und wie sie sich im Laufe der Jahre entwickelte, ist ebenfalls spannend zu verfolgen. Aber natürlich sind die Kapitel mit Elle als Mädchen, das Jonas kennen und lieben lernt, und die der erwachsenen, reifen Elle jene Kapitel, die man sich besonders wieder herbeiwünscht.

"Der Papierpalat" ist ein äußerst empfehlenswerter Roman, der noch lange in der Leserin nachhallen wird. Ausgezeichnet erzählt, atmosphärisch beschrieben und mit mitreißenden Charakteren überzeugt er auf voller Länge. Es ist keine leichte Lektüre, soviel können wir verraten, aber ein Muss wenn man spannende Unterhaltung sucht.

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