Draconis Memoria

Das Erwachen des Feuers

von Anthony Ryan
Rezension von Stefan Cernohuby | 25. März 2018

Das Erwachen des Feuers

Wenn man Menschen und Drachen einander gegenüberstellt, sind die Rollen in der Regel klar verteilt. Auf der einen Seite eine gewaltige, geflügelte, feuerspeiende Echse. Auf der anderen ein Mensch, der sich nur durch List, außergewöhnliche Kräfte oder besondere Waffen gegen diese wehren kann. Anthony Ryan hat mit seinem Roman „Das Erwachen des Feuers“ einen etwas anderen Weg gewählt, zumindest was die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Drache angeht.

Lizanne wirkt wie eine höfliche und wohlerzogene junge Dame, die aus einer der wichtigsten Erfinderfamilien stammt. Das ist sie auch, aber sie ist gleichzeitig mehr. Sie ist Agentin und Blutgesegnete. Letztere sind eine unter tausend, welche aus dem Blut von Drachen besondere Fähigkeiten gewinnen. Stärke aus dem Blut von grünen Drachen, Feuer aus dem von roten, Visionen aus dem von blauen und Zwang aus jenem von Schwarzen Drachen. Kein Wunder, dass jenes „Produkt“, wie es gemeinhin genannt wird, etwas ist, das für den Fortschritt essentiell geworden ist. Doch Drachen lassen sich nur schwer züchten und die freilebenden Exemplare werden immer weniger. Während sich Lizanne in eine Familie einschleust, um dort einer Verschwörung auf die Spur zu kommen, geht der junge Clay auf eine Expedition mit seinem Onkel und einem Explorationstrupp. Denn inmitten eines Dschungels vermutet man das Geheimnis einer weiteren, vergessenen Drachenart aufzuspüren: jenes der weißen Drachen. Doch inzwischen kommt es zu politischen Umwälzungen. Es gibt große Schlachten mit Blutgesegneten, von ihnen betriebenen Maschinen und viele Tote. Und tatsächlich lauert auf alle eine Gefahr, die niemandem bewusst ist...

Anthony Ryan hat im Rahmen des Romans eines sehr gut gemacht. Er hat sich eine völlig neue Art ausgedacht, mit der der Mensch vom Drachen profitieren kann. Menschen, die Drachenblut zur Energiegewinnung, für Transportzwecke und zum Kampf einsetzen ist bis jetzt in dieser Form nicht vorgekommen. Auch die Handlung scheint sich anfänglich in eine interessante Richtung zu entwickeln. Leider ändert sich das ab der Mitte des Werks, wo es plötzlich um (See)Schlachten, diverse Kämpfe ums Überleben und wahnwitzige Intrigen im Angesicht des Untergangs geht. Einige Aspekte sind sehr vorhersehbar, andere reine Effekthascherei. Auf viele andere relevante Details im parasitären Zusammenspiel von Drache und Mensch wird einfach nicht eingegangen. Auch die Charaktere lassen den Leser nicht euphorisch aufjubeln, denn man fühlt sich als wäre man den beiden Standard-Protagonisten schon in mehreren Romanen begegnet. Schade, hier wurde sehr viel Potenzial verschenkt, denn das Ausgangsszenario hätte genügend Basis für eine wirklich geniale Buchreihe bedeutet. Die Umsetzung ist aber leider maximal durchschnittlich gelungen. Man kann das Werk nur Lesern empfehlen, die sich für Drachen begeistern und hier eine etwas andere Darstellung derselben erleben können. Für den Zufriedenheitsfaktor würden wir die Hand jedoch nicht ins Feuer legen.

„Das Erwachen des Feuers“ ist ein neuer Roman von Anthony Ryan und auch der Auftakt zu einer neuen Serie. Doch trotz gelungenem Beginns und einer spannenden Grundidee für eine funktionsfähige Welt, will der Funke hier nicht überspringen. Zu sehr verliert sich der Autor in der Anwendung der speziellen Fähigkeiten der Blutgesegneten, zu sehr werden Schlachten und andere Kämpfe ausgewalzt. Dementsprechend ist das Gesamtergebnis leider nur durchschnittlich. Und nur große Drachenfans werden dem Werk mehr als ein mittelprächtiges Leseergebnis abgewinnen können.

Details

Bewertung

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