Deadpool
Tote Präsidenten
von Brian Posehn, Gerry Duggan
Rezension von Stefan Cernohuby
| 25. Mai 2014
Irgendwie, irgendwo und irgendwann heißt es für jeden fiktionalen Charakter: genug ist genug. Zu viel Unsinn, zu viele Anspielungen, zu viele schwache Witze. Das sollte man zumindest annehmen. Denn die Ausnahme von der Regel existiert im Marvel-Universum und trägt den Namen Deadpool. Dieser beweist nun in seinem neuen Band "Tote Präsidenten", dass er nicht nur in der Lage ist, die Grenzen des guten Geschmacks weitaus großzügiger auszulegen, sondern dem Begriff Splatter eine völlig neue Bedeutung zu geben.
Dass in den Vereinigten Staaten von Amerika einiges schief läuft, ist seit geraumer Zeit bekannt. Viele sehnen sich nach vergangenen Tagen und den ihrer Meinung nach ehrlichen Präsidenten aus alter Zeit. Was ist also naheliegender, als sich ein Necronomicon zu schnappen und alle toten Präsidenten wieder zum Leben zu erwecken? Nunja, eigentlich eine Menge anderer Aktionen, trotzdem wählt ein seltsamer Nekromant mit dem überaus genialen und einfallsreichen Namen "Necromancer" genau diesen Weg. Und tja, was soll man sagen. Die Präsidenten beschließen, der beste Weg Amerika zu retten wäre, es erst einmal bis auf die Grundmauern zu vernichten, um es dann neu aufzubauen. Da leider alle anderen Helden, inklusive Captain America, Thor und dem ganzen Rest, gerade keine Zeit haben, muss Deadpool der Sache auf seine Art auf den Grund gehen - unterstützt nur durch den Geist von Benjamin Franklin, der ja wie jeder weiß, KEIN Präsident der USA war. So duelliert er sich mit George Washington, ringt mit Teddy Roosevelt, macht einen Dammspaziergang mit Edgar J. Hoover und boxt mit Abe Lincoln. Das Ganze garniert mit einer Überdosis Metwitzen (Anspielungen auf Die Ärzte, Kevinismus und Filmziate inklusive), Unterhaltungen mit den Lesern und einem Ausflug ins Weltall.
Ist es irgendwann genug? Gibt es eine Grenze des guten Geschmacks oder den Punkt, an dem Handlungen selbst für Deadpool zu abstrus werden? Gerry Duggan und Brian Posehn, die für "Tote Präsidenten" verantwortlich waren, haben es darauf angelegt, dass die Antwort offiziell "Nein, verdammt!" wird. Tatsächlich ist der Band weit jenseits des guten Geschmacks und es erscheint beinahe unglaubwürdig, dass die Geschichte in den USA selbst veröffentlicht werden konnte - hey, Deadpool tötet bis auf die noch lebenden Präsidenten einfach alle! Blut, Eingeweide und völlig unnötige Kollateralschäden sind ebenfalls enthalten. Eigentlich KÖNNTE dieses Werk gar nicht als gut bezeichnet werden. Um einem Bildungsauftrag nachzukommen dürften wir es auch nicht. Aber es ist so abstrus, so abartig dumm und so absichtlich unappetitlich, dass uns wider Willen nichts anderes übrig bleibt als diesen Tatsachen Anerkennung zu zollen. Für alle Deadpool-Fans ist das ein weiterer Leckerbissen, der einem anderen Leser durchaus im Hals stecken bleiben könnte.
"Tote Präsidenten" ist im Grunde die Verkörperung des schlechten Comicautorengeschmacks. Eine komplett unglaubwürdige Handlung, sinnlose Gewalt, dumme Sprüche, bluttriefende Panels und Charaktere, die einen Psychotest nicht einmal mit vorgegebener Lösung bestehen würden. Dennoch - ja, wirklich - schafft es das Werk irgendwie zu gefallen und uns subliminal zu beeinflussen, dass wir es für mehr oder weniger gelungen halten! Irgendwann müssen wir der Angelegenheit nachgehen, wie das den Machern gelungen ist. Also: Deadpool-Fans, zugreifen. An alle anderen... vorsichtig einen Blick riskieren und feststellen, ob man gegen eine Überdosis an Schwachsinn immun ist.
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