Nitro

von Fritz Lehner
Rezension von Stefan Cernohuby | 29. Dezember 2017

Nitro

Es gibt Materialien und Bezeichnungen, mit denen kann man eine Menge anfangen, beziehungsweise finden Begriffe in sehr unterschiedlichen Bereichen Anwendung. Zum Beispiel das Wort Nitro. Sowohl im Sprengstoff Nitroglycerin, als auch bei Lachgaseinspritzung für Motoren, in der Chemie oder sogar bei verschiedenen Farben und Lacken. Auch wenn es noch weitere Verwendungen gibt, sind wir hier bereits richtig. Denn in Fritz Lehners neuem Roman „Nitro“ geht es um Lack.

Obwohl, hier sollte vielleicht etwas weiter ausgeholt werden. Denn Nitro hat auch in diesem Fall mehrere Bedeutungen. Es ist das Pseudonym eines Sprayers, der gewaltige Galaxien im Bereich des Donaukanals an die Wände wirft und mit diesem Namen signiert. Und es ist auch ein sehr ungesunder Bestandteil der Farben, die er verwendet. Mike Hauser ist sein größter Fan. Der Verantwortliche für das Organigramm einer großen Bank hat schon mehrfach versucht, den Künstler aufzuspüren, ist aber bisher gescheitert. Er hat nur wenige Bekannte, unter anderem das junge Mädchen Holy, das mit ihrer Sphynx-Katze Halloween den Donaukanal unsicher macht. Das große Haus seiner Schwester hat er für sich, da diese eine Weltreise macht. Nachdem Mike feststellt, dass Nitro am Dach der Firma, in der er arbeitet, ebenfalls eine Galaxie gesprayt hat, gelingt es ihm tatsächlich, ihn aufzuspüren. Doch das stürzt ihn in ein Wirrwarr aus Gewalt, Verstecken, Schiffswracks, neuen gesprayten Galaxien und Identitätskrisen. Und dann tritt mit Herrn Stieglitz ein Mann auf den Plan, der schon in der Seestadt einem Mörder auf der Spur war...

Es gibt verschiedene Romane über kauzige Ermittler, die weit abseits korrekter und moralisch einwandfreier Polizeiarbeit Verbrechern nachspüren. „Nitro“ ist allerdings der zweite Roman, der aus sich eines Verbrechers verfasst wurde, der sich nachher mit dem gleichen Ermittler auseinandersetzen muss. Und auch sonst hat der Protagonist mehrere Gemeinsamkeiten mit jenem aus dem Roman „Seestadt“. Auch er träumt von perfekten Morden, ist daneben jedoch noch auf andere Gebiete spezialisiert. Dazu zählen der Wunsch ein Künstler wie Nitro zu werden, Lügen und letztendlich auch Selbstbetrug.
Leider funktioniert das gleiche Muster kein zweites Mal, denn das Überraschende, Neue hat sich mit dem Vorgängerroman schon etwas abgenutzt. Darüber hinaus ist die Persönlichkeit des Protagonisten so wankelmütig, dass man ihn beim Lesen kaum zu fassen bekommt. Er suhlt sich entweder in seiner eigenen Genialität, igelt sich ein, biedert sich an, lügt, betrügt und beginnt dann (für den Leser völlig unvermittelt) auf die dunkle Seite abzudriften. Man ist nicht ganz sicher, wer er wirklich ist und warum er eigentlich alles tut. Zu viel wird versucht über die Stimmung zu punkten und weniger über die Struktur der Handlung. Darüber kann auch das turbulente Ende nicht hinweghelfen. Das macht „Nitro“ leider zu einem deutlich schwächeren Werk als „Seestadt“. Schade, hier wäre deutlich mehr möglich gewesen.

„Nitro“ ist nicht nur ein Wort mit vielen Bedeutungen, sondern auch der neue Roman von Fritz Lehner. Das Werk, das am Donaukanal angesiedelt ist, schafft es leider nicht aus Stimmung, Handlung und Charakteren ein überzeugendes Gesamtbild zu generieren. Zu zerfahren wirken sowohl die Psyche des Protagonisten als auch der Verlauf des Handlungsfadens. Wem „Seestadt“ gefallen hat, kann sich auf das Experiment dieses Romans einlassen, absolute Zufriedenheit mit dem Ergebnis würden wir jedoch nicht vorhersagen. Daher können wir das Werk nur eingeschränkt empfehlen.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl:

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