Toyotas Geheimrezepte für die Mitarbeiterentwicklung

von OJT Solutions Inc.
Rezension von Elisabeth Binder | 11. Oktober 2017

Toyotas Geheimrezepte für die Mitarbeiterentwicklung

In der Mitte der 80er Jahre begannen Forscher des MIT ein fünfjähriges, fünf Millionen Dollar schweres Forschungsprojekt zum Status Quo in der Autoindustrie. Sie untersuchten die Herstellungsprozesse bei insgesamt 90 Autofabriken in 15 Ländern. Dabei wurde deutlich, dass vor allem die Massenfertigung amerikanischen Zuschnitts den schlanken Produktionsprozessen in Japan, was sowohl die Herstellungskosten als auch die Qualität der produzierten Fahrzeuge betraf, deutlich unterlegen war. Die Ergebnisse dieser groß angelegten Studie wurden 1990 in Buchform veröffentlicht. "The Machine That Changed the World" wurde zu einem Beststeller der Managementliteratur und "lean manufacturing" zum neuen Mantra industrieller Produktion.

Die Managementprinzipien des Autoherstellers Toyota, das sogenannte "Toyota Production System, (TPS), erschienen 1978 in Japan erstmals ausformuliert in Buchform. Zehn Jahre später erschien die englische Ausgabe und gilt seitdem als "Bibel" für die "schlanke" Industrieproduktion und darüber hinaus. Das Interesse am TPS hat auch fast 40 Jahre später noch nicht nachgelassen. Toyota Manager mit mehr als 40 Jahren Berufs- und Managementerfahrung dürfen nach der Pensionierung als praxiserprobte Botschafter des TPS in der Beratungsfirma OJT Solutions tätig werden. Hin und wieder schreiben sie auch Bücher, so wie "Toyotas Geheimrezepte für die Mitarbeiterentwicklung", die, wie im Geleitwort des deutschen Herausgebers erwähnt wird, in Japan "Kultstatus erlangt haben " (S. 8).

Grundsätzlich klingen die Ratschläge aus dem umfangreichen Erfahrungsschatz des Toyota Pensionistenkollektivs sehr einleuchtend und erfrischend anders als die handelsübliche Literatur zu Management, Führung und in letzter Zeit auch "Leadership". Das TPS stellt die MitarbeiterInnen in den Mittelpunkt. Sie sollen zu eigenständigem Denken und persönlichen Engagement befähigt werden (siehe S. 19).

In fünf Kapiteln, in denen vier bis acht Lektionen enthalten sind, verraten die altgedienten Toyota-Manager ihre gar nicht so geheimen Geheimrezepte. Das beginnt gleich einmal damit, dass Führung kein Charisma braucht, sondern von allen MitarbeiterInnen auf allen Hierarchieebenen, von denen es bei Toyota im Produktionsbereich mindestens fünf gibt, wahrgenommen werden kann. Dafür muss zunächst die "Denkfähigkeit" bei den MitarbeiterInnen entwickelt werden. Im TPS haben sich dafür Problemlösungsprozesse etabliert, die von den Autoren noch mit ihren eigenen best practices ergänzt werden. Die Art der Problemlösung und Prozessverbesserungen beruhen immer auf einem tiefen Verständnis der Arbeit, das in jahrelanger Übung erworben wird. Führungskräfte kommen daher bei Toyota auch direkt aus den eigenen Reihen und verlieren auch nie den Bezug zur Arbeit in der Produktion. Die Aufgabe des Managements ist es hauptsächlich, die Lernprozesse in Teams und für die einzelnen MitarbeiterInnen zu ermöglichen und entsprechend umfassend zu fördern.

Jede Lektion wird mit einer Quintessenz eingeleitet, die in ein bis zwei Sätzen die Lektion zusammenfasst. Man kann sich daher schnell einen Überblick verschaffen und dann dort weiterlesen, wo einen das Interesse hinzieht. Die Sprache ist bewusst einfach gehalten, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Umsetzung der Praktiken einfach wäre. Das TPS ist in einen größeren sozialen Kontext der japanischen Gesellschaft eingebettet und profitiert auch davon. Nicht zuletzt gibt es in Japan auch ein eigenes Wort für Tod durch Überarbeitung (Karoshi). Dass dieser gesellschaftliche Konsens schon brüchig ist, kann man an einigen Stellen zwischen den Zeilen lesen. Die Autoren lassen sich davon aber nicht beirren und verbreiten die notwendige Zuversicht, dass ihre praxiserprobten Methoden auch auf neue Herausforderungen entsprechend reagieren können.

Das Buch ist fachkundig direkt aus dem Japanischen übersetzt und der Text wird von insgesamt 105 Fußnoten begleitet, die den oft notwendigen Kontext zu den Grundsätzen des TPS herstellen und diejenigen Fachbegriffe näher erläutern, die in ihrer Bedeutung kein deutsches Äquivalent kennen. An einigen Stellen führt die Texttreue und TPS-Gläubigkeit der Herausgeber jedoch zu unfreiwilliger Komik, wie beispielsweise im Titel einer Lektion aus dem Kapitel zur Teamförderung: "Wer nur vertikale Verbindungen hat, ist nur eine 'halbe Portion'. Erst mit horizontalen Verbindungen wird man zum 'ganzen Mann'."

"Toyotas Geheimrezepte" verrät, wie die meisten Managementratgeber, keine echten Geheimnisse. Die langfristige Perspektive, das unermüdliche Verbessern von Prozessen in kleinen Schritten und jeglicher Verzicht auf "Führungspersönlichkeiten" klingt in Zeiten, wo besinnungslose Geschwindigkeit ein Wert an sich und Selbstdarstellung ein Muss sind, etwas altmodisch. Die Werte, die vermittelt werden, sind es auf jeden Fall nicht.

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